Leitsatz (amtlich)
1. Der Vorfahrtsbereich besteht aus dem Einmündungsviereck und aus der Fahrbahnhälfte der untergeordneten Straße, in die der Vorfahrtsberechtigte bei seinem Abbiegevorgang einfährt. In diesem Bereich darf der Vorfahrtberechtigte grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein Vorfahrtsrecht von dem Wartepflichtigen beachtet wird.
2. Das Einmündungsviereck umfasst die gesamte Kreuzungsfläche in ganzer Fahrbahnbreite. Lediglich bei rechtwinkligen Kreuzungen oder Einmündungen wird das Einmündungsviereck durch die Fluchtlinien der beiden Fahrbahnen begrenzt.
3. Bei spitzwinkligen Einmündungen besteht das Einmündungsviereck zumindest aus dem Quadrat, welches sich aus den Fluchtlinien der Fahrbahnbegrenzung ergeben würde, wenn die Einmündung rechtwinklig wäre.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 04.03.2010; Aktenzeichen 58 O 299/07) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 4.3.2010 verkündete Urteil des LG Berlin - 58 O 299/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungs-gerichts nicht erfordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 7.2.2011 verwiesen, in dem der Senat u.a. das Folgende ausgeführt hat:
"Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das LG in der angefochtenen Entscheidung von einer Vorfahrtsverletzung durch den Kläger ausgegangen.
1. Der Vorfahrtsbereich besteht aus dem Einmündungsviereck und aus der Fahrbahnhälfte der untergeordneten Straße, in die der Vorfahrtsberechtigte bei seinem Abbiegevorgang einfährt. In diesem Bereich darf der Vorfahrtberechtigte grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein Vorfahrtsrecht von dem Wartepflichtigen beachtet wird. Das Einmündungsviereck umfasst die gesamte Kreuzungsfläche in ganzer Fahrbahnbreite. Lediglich bei rechtwinkligen Kreuzungen oder Einmündungen wird das Einmündungsviereck durch die Fluchtlinien der beiden Fahrbahnen begrenzt.
Bei spitzwinkligen Einmündungen führt die vom Kläger vertretene Begrenzung des Einmündungsvierecks durch die Fluchtlinien der Straßen zu einer Verzerrung der wechselseitigen Pflichten der Verkehrsteilnehmer im Kreuzungsbereich. Vorliegend würde das Einmündungsviereck so zu einem spitzwinkligen Parallelogramm verzerrt, dass der Beklagte zu 1) als Linksabbieger gezwungen wäre, "nichtgeschützte" Fahrbahnteile zu befahren, um seinen Abbiegevorgang durchführen zu können. Dies kann nicht zutreffend sein. Auf die Frage, ob die vom LG zitierte Entscheidung des BGH (BGHZ 56, 1) einschlägig ist, kommt es deshalb nicht an.
Bei spitzwinkligen Einmündungen besteht das Einmündungsviereck deshalb zumindest aus dem Quadrat, welches sich aus den Fluchtlinien der Fahrbahnbegrenzung ergeben würde, wenn die Einmündung rechtwinklig wäre.
Der Vorfahrtsbereich umfasst vorliegend deshalb jedenfalls den in der nachfolgenden Skizze ersichtlichen Bereich:
(Abbildung entfernt)
Aus dieser Skizze ergibt sich auch, dass der Kläger sich nicht nur mit der Front seines Fahrzeugs 0,8 m im Vorfahrtsbereich des Beklagten zu 1) befindet sondern auch mit der gesamten linken Seite seines Fahrzeugs.
2. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es bei der Bestimmung des Vorfahrtsbereichs nicht darauf an, ob die Sicht des Wartepflichtigen in Richtung des Vorfahrtsberechtigten beeinträchtigt war. Kann der Wartepflichtige die Kreuzung nicht einsehen, wenn er an der Begrenzung des Vorfahrtsbereichs anhält, so muss er sich, wie das Gesetz (§ 8 Abs. 2 StVO) dies für solche Fälle vorschreibt, von dort vorsichtig in die Kreuzung hineintasten. Dass der Kläger dieser Pflicht nachgekommen ist, hat er selbst nicht behauptet.
3. Die Haftungsverteilung 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Klägers ist nicht zu beanstanden."
Der Senat sieht auch nach erneuter Beratung und unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägers vom 16.3.2011 keinen Anlass, davon abzuweichen. Die Argumente des Klägers vermochten den Senat nicht zu überzeugen.
Wie sich aus der oben wiedergegebenen Skizze ergibt, führt die vom Kläger erstinstanzlich vertretene Begrenzung des Einmündungsvierecks (durch die Fluchtlinien der beiden Bordsteinkanten gebildetes Parallelogramm) zu einer Verzerrung der wechselseitigen Pflichten der Verkehrsteilnehmer im Kreuzungsbereich. Entgegen der vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 16.3.2011 aufgestellten Behauptung würde vorliegend das Einmündungsviereck so zu einem spitzwinkligen Parallelogramm verzerrt, dass der Beklagte zu 1) als Linksabbieger gezwungen wäre, "nichtgeschützte" Fahrbahnteile zu befahren, um seinen Abbiegevorgang durchführen zu können. Der Beklagte zu 1) war nämlich gem. § 9 Abs. 1 StVO als Linksabbieger gehalten, sich bis zur Mitte der Straße einzuordnen.
Die Schnittpunkte der Bordsteinkanten kommen als Anknüpfungspunkte für das Einmündun...