Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind auch positive Feststellungsklagen musterverfahrensfähig.

2. Die Beschwerde gegen den Beschluss zur Bekanntmachung des Kapital-Musterverfahrensantrags ist unstatthaft.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 04.09.2014; Aktenzeichen 11 OH 19/14 KapMuG)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 11 des LG Berlin vom 4.9.2014 - 1 OH 19/14 KapMuG - wird verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Der Antragsteller hat im Hinblick auf seine Feststellungsklage die Durchführung des Kapitalanleger-Musterverfahrens beantragt und Feststellungen zum Emissionsprospekt begehrt.

Das LG hat mit Beschluss vom 4.9.2014 die Bekanntmachung des Antrags hinsichtlich der Feststellungen zum Emissionsprospekt angeordnet.

Gegen die Anordnung der Bekanntmachung richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Löschung der Bekanntmachung des Musterverfahrens im Klageregister und die Wiederaufnahme des Verfahrens durch das LG begehrt. Sie ist der Ansicht, dass der Anwendungsbereich des KapMuG bei einer Feststellungsklage nicht eröffnet sei und deshalb das Beschwerderecht über die mit der Anordnung nach dem KapMuG verbundenen Aussetzung des Klageverfahrens gegeben sei.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, weil diese unzulässig sei. Ferner hat es darauf hingewiesen, dass sich der Gesetzesbegründung zur Neufassung des KapMuG eine Beschränkung auf die Leistungsklage nicht entnehmen lasse.

B. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach § 572 Abs. 2 S. 2 ZPO zu verwerfen, weil sie unzulässig ist.

I. Die sofortige Beschwerde ist unstatthaft, weil der stattgebende Beschluss nach dem Wortlaut des Gesetzes unanfechtbar ist, § 3 Abs. 2 S. 1 KapMuG.

1. Die sofortige Beschwerde ist auch nicht gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 252 ZPO statthaft, weil das Verfahren gemäß § 5 KapMuG mit der Bekanntmachung des Musterverfahrensantrages im Klageregister unterbrochen wird. Die Unterbrechung tritt kraft Gesetzes ein und nicht durch gerichtliche Entscheidung. Die Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses nach § 3 Abs. 2 KapMuG in einem an sich statthaften KapMuG-Verfahren kann auch nicht durch die Anfechtung des Aussetzungsbeschlusses nach § 8 Abs. 1 KapMuG, der hier noch nicht erlassen ist und daher nicht zur Entscheidung ansteht, umgangen werden. Der Umstand, dass die Unanfechtbarkeit des Aussetzungsbeschlusses in § 7 Abs. 1 S. 4 KapMuG a.F. durch die Neufassung des § 8 KapMuG entfallen ist, gibt keinen Anlass, die Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses in Frage zu stellen; denn der Gesetzgeber hat trotz der Neufassung des § 8 KapMuG im Jahr 2012 zum Ausdruck gebracht, an der Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses nach § 3 Abs. 2 KapMuG festzuhalten. Dass der Gesetzgeber die Unanfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses nicht einschränken wollte, wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass er mit der Neufassung des § 3 Abs. 1 KapMuG die Unanfechtbarkeit des Verwerfungsbeschlusses erst eingeführt und für beide Fälle die Anfechtbarkeit über § 252 ZPO gerade nicht eröffnet hat (so auch KG, 22. Zivilsenat, Beschluss vom 2.10.2014 (22 Kap 2/14). Soweit der betroffenen Partei dadurch eine zeitweise "Blockade" ihres Zivilprozesses zugemutet wird, ist das nach dem Willen des Gesetzgebers hinzunehmen.

2. a) Die sofortige Beschwerde könnte daher nur dann Erfolg haben, wenn der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet ist, das LG mithin eine Anordnung getroffen hat, für die es keine verfahrensrechtliche Grundlage im KapMuG gibt und sich deshalb die aus § 5 KapMuG ergebende Unterbrechung des Verfahrens im Ergebnis als rechtswidrig erweist. Wenn der Anwendungsbereich eines Gesetzes überhaupt nicht eröffnet ist, kann eine sofortige Beschwerde nicht deshalb unzulässig sein, weil dies in dem nicht anwendbaren Gesetz bestimmt ist. Ist ein Gesetz nicht anzuwenden, kann auch eine in eben diesem Gesetz enthaltene Vorschrift über die Unanfechtbarkeit nicht zum Tragen kommen. Deshalb kann es nach Ansicht des Senats auch keine Rolle spielen, ob die "nur teilweise Eröffnung einer Anfechtbarkeit des Bekanntmachungsbeschlusses dem Gesetz" widersprechen würde, wenn dieses Gesetz gar nicht anwendbar ist (so aber Beschluss des 11. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8.10.2014 zu 11 Kap 1/14).

b) Der Anwendungsbereich des KapMuG ist jedoch im vorliegenden Fall eröffnet. Dem steht nicht entgegen, dass eine positive Feststellungsklage Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG reicht es aus, wenn in einem bürgerlichen Rechtsstreit ein Schadensersatzanspruch "geltend gemacht" wird. Nach diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut fällt darunter auch die Feststellungsklage im Sinne des § 256 ZPO. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass auch durch die Erhebung einer positiven Feststellungsklage ein...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge