Tenor
Dem Nebenklägervertreter, Rechtsanwalt pp., wird auf seinen Antrag vom 20. April 2022 unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen anstelle der Verfahrensgebühr (erster Rechtszug) nach Nr. 4118 VV RVG und der Terminsgebühren nach Nr. 4120 und 4122 VV RVG eine Pauschgebühr in Höhe von 211.056 Euro (zweihundertelftausendsechsundfünfzig) Euro bewilligt, auf die die insoweit angefallenen Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 197.264 Euro anzurechnen sind.
Gründe
I.
Das vor der 15. Großen Strafkammer (Schwurgerichtskammer) des Landgerichts geführte und mit der am 4. Juni 2014 erhobenen Anklage eingeleitete erstinstanzliche Strafverfahren, auf das sich der mit Schriftsätzen vom 28. August und 8. November 2023 ergänzend begründete Antrag vom 20. April 2022 bezieht, richtete sich ursprünglich gegen elf Angeklagte, nach einer Verfahrensabtrennung am 6. Juli 2017 gegen zehn Angeklagte und in einem Trennverfahren gegen den elften Angeklagten (pp). Die erstinstanzlichen Verfahren wurden durch die Urteile vom 1. Oktober 2019 (Ursprungsverfahren) und vom 18. Dezember 2019 (Trennverfahren) beendet. Der Antragsteller meldete sich unter Vorlage einer auf den 25. Oktober 2014 ausgestellten Vollmacht an diesem Tag für die Schwester des Tatopfers, die als Nebenklägerin zugelassen und der der Antragsteller am 27. Oktober 2014 als Vertreter bestellt wurde. In dieser Funktion war er sowohl im Ursprungs- als auch im Trennverfahren tätig. Aus der Landeskasse erhielt der Antragsteller bislang eine Pflichtverteidigervergütung nebst Auslagen und Umsatzsteuer von 259.681,80 Euro; davon entfallen 197.424 Euro auf die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr (erster Rechtszug) und die Terminsgebühren (erster Rechtszug). Der auf § 51 RVG gestützte Antrag auf Festsetzung einer Pauschvergütung für die anwaltliche Tätigkeit zielt auf eine Pauschvergütung von jeweils 20.000 Euro anstelle der gesetzlichen Grund- und Verfahrensgebühren (erster Rechtszug) und von 304.152 Euro anstelle der Terminsgebühren (erster Rechtszug), insgesamt von 344.152 Euro (zzgl. Umsatzsteuer), ab. Der Antrag, auf dessen Inhalt und ergänzende Begründung im Übrigen Bezug genommen wird, hat teilweise Erfolg; im Übrigen war er zurückzuweisen.
II.
Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 51 Abs. 1 RVG sind nur hinsichtlich der mit der Verfahrensgebühr (erster Rechtszug) nach Nr. 4118 VV RVG und der Terminsgebühren nach Nr. 4120 und 4122 VV RVG, dort für den Zeitraum der parallel laufen Hauptverhandlungen in den Ursprungs- und Trennverfahren, gesetzlich vergüteten Verfahrensabschnitte gegeben.
1. Der Gesetzgeber hat durch das in § 51 Abs. 1 RVG aufgenommene Kriterium der Unzumutbarkeit dessen Anwendungsbereich einschränken und den Ausnahmecharakter dieser Regelung zum Ausdruck bringen wollen (BT-Drucks. 15/1971, S. 291). Unzumutbar ist die sonst maßgebliche Gebühr, wenn sie augenfällig unzureichend und unbillig ist. Es reicht nicht, dass ein Verfahren besonders umfangreich oder besonders schwierig war (vgl. Senat, Beschluss vom 20. August 2007 - 1 ARs war (vgl. Senat, Beschluss vom 20. August 2007 - 1 ARs 54/07 -). Die anwaltliche Mühewaltung muss sich vielmehr von sonstigen - auch über durchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 - 4 StR 267/11 -; Senat, Beschluss vom 9. November 2015 - 1 ARs 20/15 -). Ob solche Erschwernisse vorgelegen haben, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch bei einem auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkten Antrag stets danach, ob die dem Verteidiger/Nebenklägervertreter für seine Tätigkeit im gesamten Verfahren gewährte Regelvergütung insgesamt noch zumutbar ist oder ob ihm wegen besonderer Schwierigkeiten in einem Verfahrensabschnitt mit der dafür vorgesehenen Gebühr ein ungerechtfertigtes Sonderopfer abverlangt wird. Dabei kann der erhöhte Arbeits- und Zeitaufwand in einem Verfahrensabschnitt grundsätzlich durch eine unterdurchschnittliche Inanspruchnahme in anderen Teilen mit der Folge kompensiert werden, dass mit den im Vergütungsverzeichnis des RVG bestimmten Gebühren in der Summe die erbrachte Tätigkeit des Rechtsanwalts noch ausreichend bezahlt wird (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Oktober 2018 - 1 ARs 8/17 -: 2. Oktober - 1 ARs 26/13 -; 15. April 2015 - 1 ARs 22/14 - und 28. Juni 2010- 1 ARs 46/09 -).
2. Die Inanspruchnahme des im gerichtlichen Hauptverfahren erstmals mit der Sache befassten Antragstellers ist mit den für das Verfahren des ersten Rechtszuges und die für die Wahrnehmung der Hauptverhandlungstermine in dem Zeitraum vom 8. November 2017 (dem Beginn der Hauptverhandlung in dem Trennverfahren) bis zum 1. Oktober 2019 (der Urteilsverkündung im Ursprungsverfahren) gesetzlich vorgesehenen Gebühren, nicht hingegen mit der für die erstmalige Einarbeitung in die Sache gesetzlich vorgesehenen Gebühren, unzumutbar im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 68, 237) vergütet.
a) Einen hervorgehobenen Umfang oder besondere Schwierigkei...