Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls bei einem innerhalb geschlossener Ortschaft begangenem Rotlichtverstoß sind Urteilsausführungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie seines Abstands zur Ampel regelmäßig entbehrlich, weil hier grundsätzlich von einer nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und von einer Gelbphase von 3 Sekunden ausgegangen werden kann, was eine gefahrlose Bremsung ermöglicht.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 18.09.2018) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. September 2018 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen eines fahrlässig begangenen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt und nach § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Der Entscheidung liegen die folgenden Feststellungen zugrunde:
"Am 13.03.2018 um 18.30 Uhr befuhr der Betroffene die Fontanestraße in 12049 Berlin mit dem Kraftfahrzeug der Marke Opel, amtliches Kennzeichen B-ZZ ZZZZ. An der Kreuzung Fontanestraße/Flughafenstraße fuhr er geradeaus in südlicher Richtung. Dabei überfuhr der Betroffene die Haltlinie der dortigen Ampel bei ihn für Rotlicht abstrahlender Lichtzeichenanlage, fuhr in den Kreuzungsbereich ein und überquerte diesen. In Höhe des kreuzenden Columbiadamm/Flughafenstraße kam es fast zum Unfall mit dem von rechts aus dem Columbiadamm kommenden Fahrzeug der Zeugen X und Y Kia. Der Zeuge X musste eine Vollbremsung einlegen, um eine Kollision zu verhindern, wobei das Fahrzeug des Betroffenen höchstens eine Fahrzeuglänge entfernt war. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene dies vermeiden können."
Gegen das am 24. Oktober 2018 zugestellte Urteil wendet sich der Betroffene mit einem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 28. November 2018 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Unschädlich ist die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. § 300 StPO ist sinngemäß (§ 46 Abs. 1 OWiG) auf das Verhältnis zwischen gesetzlich zulassungsfreier Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG) und dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 OWiG) anzuwenden (vgl. für den umgekehrten Fall der Einlegung der Rechtsbeschwerde bei allein statthaftem Zulassungsantrag BGHSt 23, 233).
2. Die Rüge formellen Rechts weist keine nähere Begründung auf und ist als Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt.
3. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils offenbart weder hinsichtlich des Schuld- noch des Rechtsfolgenausspruchs einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebieten würde.
a) Die Urteilsfeststellungen sind ausreichend. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen den Schuldspruch wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes.
Die Urteilsgründe müssen in Bußgeldverfahren so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht ihnen zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen (vgl. OLG Bremen NStZ 1996, 287; Göhler/Seitz, OWiG 17. Aufl., § 71 Rn. 42). Grundsätzlich gilt, dass Ausführungen des Urteils nie Selbstzweck sind (vgl. BGH wistra 1992, 225; 1992, 256) und dass an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen von vornherein keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH NZV 1993, 485; Göhler aaO).
Diesen Ansprüchen genügt die angefochtene Entscheidung. Zwar sind grundsätzlich nähere Ausführungen zur Dauer der Gelbphase, zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit, zur Geschwindigkeit des Betroffenen im Zeitpunkt des Umschaltens der Lichtzeichenanlage von Grün auf Gelb und zur Entfernung des Betroffenen von der Lichtzeichenanlage bei Umschalten von Gelb auf Rotlicht erforderlich. Denn nur bei Kenntnis dieser Umstände lässt sich in der Regel entscheiden, ob der Betroffene bei zulässiger Geschwindigkeit und mittlerer Bremsverzögerung in der Lage gewesen wäre, dem von dem Gelblicht ausgehenden Haltegebot zu folgen, was Voraussetzung für den Vorwurf ist, das Rotlicht schuldhaft missachtet zu haben (vgl. Senat, Beschluss vom 17. April 2018 - 3 Ws(B) 100/18 m.w.N.).
Handelt es sich allerdings - wie hier - um einen Rotlichtverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften, sind Ausführu...