Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen des Elternrechts zur Vornamenswahl für ihr Kind

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Recht der Eltern zur Vornamenswahl für ihr Kind darf allein dort eine Grenze gesetzt werden, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht.

Eine Beeinträchtigung des Kindeswohls kann dann vorliegen, wenn der Vorname das Geschlecht des Namensträgers nicht hinreichend kenntlich macht.

Handelte es sich um einen im Ausland gebräuchlichen Namen, so entscheidet sich die Frage, ob es sich um einen männlichen oder um einen weiblichen Vornamen handelt, nach dem Gebrauch im Herkunftsland. Zweifel können durch weitere Vornamen ausgeräumt werden, die das Geschlecht eindeutig erkennen lassen.

Der Umstand, dass es sich um einen in seinem Herkunftsland gebräuchlichen Bei- oder Zwischennamen handelt, schließt es nicht aus, diesen Namen als Vornamen zu verwenden (i.A. an BVerfG v. 3.11.2005 - 1 BvR 691/03, MDR 2006, 573 = MDR 2006, 393 = FamRZ 2005, 2049 ff.).

 

Normenkette

PStG § 21; PstG § 22; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 07.02.2005; Aktenzeichen 84 T 7/05)

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 70-III 276/04)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.

Eine Kostenerstattung wird nicht angeordnet.

 

Gründe

I. Die Antragsteller, die nicht miteinander verheiratet sind, beide die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und, soweit ersichtlich, keinerlei staatsbürgerschaftliche oder kulturelle Beziehungen zu Island haben, beabsichtigen, ihrer am 11.2.2004 geborenen gemeinsamen Tocher J.B. als zweiten Vornamen den Namen Christiansdottir zu geben. Hierbei handelt es sich nach Auskunft der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig um einen ursprünglich isländischen weiblichen Beinamen mit der Bedeutung "Tochter des Christian". Christian ist der Vorname des Beteiligten zu 2).

Das AG hat mit dem Beschluss vom 1.12.2004 den Standesbeamten angewiesen, den Namen Christiansdottir als zweiten Vornamen im Geburtenbuch als Randvermerk beizuschreiben. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat das LG mit Beschluss vom 7.2.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

Die Beteiligte zu 3) macht geltend, der Name Christiansdottir verletze das Gebot der Geschlechtsoffenkundigkeit, da es sich bei dem ersten Bestandteil des Namens im deutschen Rechtsbereich um einen eindeutig männlichen Vornamen handele. Der hinzugefügte Namenszusatz "Dottir" stelle lediglich ein auf das weibliche Geschlecht hindeutendes Namenselement dar, das weder die Zuordnung des Namens Christiansdottir im deutschen Sprachgebrauch zum weiblichen Geschlecht noch die Einstufung des gewünschten Namens als ambivalent zulasse. Die Beteiligte zu 3) hält eine grundsätzliche Klärung der Frage für erforderlich, ob ein Name, der sich aus einem männlichen Vornamen und einem auf das weibliche Geschlecht hindeutenden Namenselement zusammensetze, als Vorname erteilt werden könne.

Die Antragsteller verteidigen die angefochtene Entscheidung.

II.1. Die gem. §§ 48, 49 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 PstG, §§ 22, 27, 29 Abs. 1 und 2 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG ihre Beschwerde gegen den Beschluss des AG Schöneberg vom 1.12.2004 zurückgewiesen.

a) Da beide Antragsteller deutsche Staatsangehörige sind und auch ihr gemeinsames Kind die deutsche Staatsangehörigkeit hat, gilt - wovon auch alle Beteiligten ausgehen - das deutsche Vornamensrecht.

Ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen, die die Wahl des Vornamens regeln, bestehen nicht (BVerfG v. 3.11.2005 - 1 BvR 691/03, MDR 2006, 573 = MDR 2006, 393 = FamRZ 2005, 2049 [2050]; BGHZ 73, 239 [241]; OLG Karlsruhe StAZ 1999, 298). Die - grundsätzlich freie - Wahl eines Vornamens ist Ausdruck des Rechts der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). Darüber hinaus wird durch etwaige Reglementierungen seitens des Staates in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen (BVerfG v. 3.11.2005 - 1 BvR 691/03, MDR 2006, 573 = MDR 2006, 393 = FamRZ 2005, 2049 [2051]; v. 6.12.2005 - 1 BvL 3/03, FamRZ 2006, 182 [184]; v. 30.1.2002 - BvL 23/96, FamRZ 2002, 306 [308]). Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG ist es zuvörderst Aufgabe der Eltern, ihrem Kind in freier gemeinsamer Wahl einen Namen zu bestimmen, den es sich selbst noch nicht geben kann. Die Namensgebung soll dem Kind die Chance für die Entwicklung seiner Persönlichkeit eröffnen und seinem Wohl dienen, dessen Wahrung den Eltern als Recht und Pflicht gleichermaßen anvertraut ist. Der Name eines Menschen ist Ausdruck seiner Identität sowie Individualität und begleitet die Lebensgeschichte seines Trägers, die unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird. Dem heranwachsenden Kind hilft er, seine Identität zu finden und ggü. anderen zum Ausdruck zu bringen (BVerfG v. 30.1.2002 - BvL 23...

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