Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des für die Reinigung einer Straße zu zahlenden Entgelts
Leitsatz (amtlich)
1. Für Rechtsstreitigkeiten wegen Entgeltforderungen ist in Berlin der ordentliche Rechtsweg gegeben.
2. Die ordentlichen Gerichte gewähren in rechtsstaatlich ausreichendem Maße einen Rechtsschutz gegen die Einordnung einer Straße in eine Reinigungsklasse i.S.d. Berliner Verordnung über die Straßenreinigungsverzeichnisse.
3. Das für die Reinigung einer Straße zu zahlende Entgelt darf in keinem offensichtlichen Missverhältnis zu den Leistungen des für die Reinigung Straßenreinigungspflichtigen stehen. Ein Missverhältnis ist anzunehmen, wenn gar nicht gereinigt wird oder der Reinigungszweck verfehlt wird. Eine nur geringfügige Nicht- oder Schlechterfüllung der zu erbringenden Leistung mindert einen Entgeltanspruch in der Regel noch nicht.
4. Anlieger und Hinterlieger schulden grundsätzlich nur dann ein Entgelt, wenn "ihre" Straße gereinigt wird.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 9 O 168/07) |
Tenor
Der Senat vermag auch nach dem weiteren Vorbringen des Berufungsklägers einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG oder gegen europäisches Recht nicht zu erkennen. Weiterhin nicht zutreffend ist, dass dem Beklagten keine rechtsstaatliche Kontrolle der Leistungen der Klägerin gewährt wird.
Gründe
Ordentlicher Rechtsweg
Der Berufungskläger hält aus Gründen des Rechtsschutzes den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für nicht gegeben. Für seine Haltung beruft er sich u.a. auf ein Urteil des KG vom 17.12.1984 (8 U 1348/84).
Zutreffend ist insoweit, dass der 8. Zivilsenat in der zitierten Entscheidung und in weiteren Entscheidungen bei einem Streit um das Straßenreinigungsentgelt den ordentlichen Rechtsweg als nicht eröffnet ansah. Diese Haltung - die bereits damals isoliert war - musste der Senat indes nach einer Entscheidung des BGH (v. 11.10.1990 - III ZR 169/89, NVwZ-RR 1992, 223) aufgeben. Der 3. Zivilsenat des BGH entschied, dass bei einem Streit um das Straßenreinigungsentgelt in Berlin der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Maßgebend für die Zuordnung (des gesamten Benutzungsverhältnisses) sei der Wille des zuständigen Verwaltungsträgers, der aus den jeweiligen Umständen, insbesondere aus der Benutzungsordnung, zu ermitteln ist. Indizien bildeten die Art der Benutzungsordnung (Satzung oder Allgemeine Geschäftsbedingungen), die jeweils verwendeten Rechtsformen (etwa Auflösung des Verhältnisses durch Widerruf oder Kündigung), das Entgelt (Gebühr oder Nutzungsentgelt), oder der Hinweis auf Rechtsmittel. Der Wille der Berliner Verwaltung, einen privatrechtlichen Entgeltanspruch zu begründen, ergäbe sich aus den für die Beurteilung des Entgeltanspruchs maßgebenden Leistungsbedingungen der Berliner Stadtreinigungs-Betriebe. Sie seien ausdrücklich als "Geschäftsbedingungen" bezeichnet. Die in ihnen vorgesehenen Straßenreinigungsentgelte würden ferner nicht durch einen Verwaltungsakt festgesetzt; vielmehr würden für sie "Rechnungen" ausgestellt. Für Rechtsstreitigkeiten aus den Leistungsbedingungen sei der ordentliche Rechtsweg vorgesehen und das Amts- bzw. LG für zuständig erklärt. Dem ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen. Die Rechtslage ist klar. Auf dieser Grundlage entscheiden die Berliner ordentlichen Gerichte (KG v. 14.3.2007 - 11 U 28/06; KG v. 8.12.2003 - 8 U 158/03, NVwZ-RR 2004, 397 = ZMR 2004, 187) in ständiger Rechtsprechung über die Höhe verlangten Straßenreinigungsentgelts.
Diese Haltung ist auch aus verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung richtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG unterfällt die Tätigkeit juristischer Personen des Privatrechts, auch wenn sie in den Dienst der Daseinsvorsorge des Staates für seine Bürger gestellt sind, grundsätzlich dem Privatrecht und infolgedessen der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, es sei denn, die betreffende juristische Person wäre durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Entscheidungsbefugnissen ausgestattet (BVerwG v. 6.3.1990 - 7 B 120.89, JZ 1990, 446 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Der Anspruch auf einen anderen Rechtsweg folgt auch nicht aus den Vorschriften des Grundgesetzes, insbesondere nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Art. 19 Abs. 4 GG unterstellt vielmehr, dass die Rechtswege unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes prinzipiell gleichwertig sind (BVerfG v. 27.7.1971 - 2 BvR 443/70, BVerfGE 31, 364, 368; BVerwG v. 29.5.1990 - 7 B 30/90, NVwZ 1991, 59; v. 16.9.1977 - BVerwG 7 C 13.76, Buchholz 442.061 § 9 FAG Nr. 4). Die Verfassung garantiert nur irgendeinen gerichtlichen Rechtsschutz (Huber, in; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 2005, Art. 19 Rz. 446), hingegen keinen vor einer bestimmten Gerichtsbarkeit.
Aus allen diesen Gründen ordnet § 7 Abs. 7 des Berliner Straßenreinigungsgesetzes ausdrücklich an, dass bei Rechtsstreitigkeiten wegen Entgeltforderungen der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Ein Verstoß gegen höheres Recht ist dabei nach dem Vorstehenden nicht e...