Leitsatz (amtlich)
Vertritt ein Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber zunächst außergerichtlich und dann im gerichtlichen Verfahren, ist auch die erhöhte Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 1008 RVG-VV auf die erhöhte Verfahrensgebühr höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 03.01.2008; Aktenzeichen 12 O 502/07) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem Anerkenntnisteil - und Schlussurteil des LG Berlin vom 3.12.2007 von dem Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus in Höhe weiterer 347,29 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2007 festgesetzt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte nach einem Wert bis zu 600 EUR zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die sechs Kläger haben den Beklagten auf Räumung von Gewerbemietraum, Zahlung rückständiger und künftiger Miete sowie auf Zahlung der vorprozessual entstandenen Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Bei der Kostenfestsetzung hat der Rechtspfleger von den geltend gemachten Kosten die Hälfte der für 6 Auftraggeber berechneten Geschäftsgebühr (1,3 Geschäftsgebühr und 1,5 Erhöhungsgebühr nebst Umsatzsteuer) in Abzug gebracht. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger. Sie wenden ein, dass auch die erhöhte Geschäftsgebühr maximal mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die erhöhte Verfahrensgebühr anzurechnen sei.
B.I. Die sofortige Beschwerde der Kläger ist gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert von mehr als 200 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO) ist erreicht.
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Kläger rügen mit Recht, dass das LG bei der Kostenfestsetzung die gem. Nr. 1008 RVG-VV auf einen Satz von 2,8 erhöhte Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) angerechnet hat, anstatt sie nach den Vorgaben der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV nur mit einem Gebührensatz von 0,75 anzurechnen.
1. Zutreffend ist das LG allerdings davon ausgegangen, dass dem Anwalt der sechs Kläger eine gem. Nr. 1008 RVG-VV um 1,5 erhöhte Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) neben der ebenfalls gem. Nr. 1008 RVG-VV um 1,5 erhöhten Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) erwachsen ist (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 1008 VV, Rz. 6; Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl. 2007, S. 420; Schneider, AGS 2006, 528 ff.; Enders, JurBüro 2005, 449, 450 Ziff. 3; LG Düsseldorf MDR 2007, 1164). Verdient ein Rechtsanwalt, der mehrere Auftraggeber zunächst außergerichtlich und anschließend im Prozess vertritt, nacheinander eine Geschäfts- und eine Verfahrensgebühr, so sind beide Gebühren nach Nr. 1008 RVG-VV zu erhöhen. Nichts anderes folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach sich bei mehreren Auftraggebern in derselben Angelegenheit die Verfahrens- oder die Geschäftsgebühr erhöht. Die Verwendung des Wortes "oder" erklärt sich daraus, dass in derselben Angelegenheit nur die eine oder die andere Gebühr erwachsen kann.
2. Entgegen der Auffassung des LG ist aber auf die geltend gemachte (erhöhte) Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) die erhöhte Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) nur mit einem Satz von 0,75 anzurechnen.
Nach den Vorgaben der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV wird die Geschäftsgebühr nach den Nr. 2300 bis 2303, soweit sie wegen desselben Gegenstandes entsteht, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet. In der Literatur ist umstritten, zu welchem Ergebnis diese Anrechnungsvorschrift bei der nach Nr. 1008 RVG-VV erhöhten Geschäftsgebühr führt.
a) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV werde von dieser Anrechnungsvorschrift nicht erfasst (Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Vorbem. 3 VV, Rz. 87; Mock, RVG-Berater 2004, 87, 88 f.). Nr. 1008 RVG-VV stelle einen eigenen Gebührentatbestand dar, der in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV nicht erwähnt werde.
b) Andere verlangen gleichfalls eine gesonderte Behandlung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 RVG-VV, wollen aber die Gebührenerhöhung analog der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 RVG-VV zur Hälfte, also mit 0,15 pro weiteren Auftraggeber anrechnen (Hergenröder, AGS 2007, 53, 55; AGS 2005, 275; RVGreport 2004, 363; N. Schneider, Das neue Gebührenrecht für Anwälte, § 14 Rz. 58 ff., zitiert nach AnwKomm/RVG/Onderka/N. Schneider, 3. Aufl., Teil 3, VV Vorb. 3 Rz. 206). Ansonsten könnte ein Anwalt aus Gebührengründen dazu verleitet sein, eine Streitsache gerichtlich auszutragen. Damit werde aber das Ziel des Gesetzgebers verfehlt, der bei der Konzeption des RVG auf eine Entlastung der Justiz bedacht gewesen sei.
c) Im Gegensa...