Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 08.12.2006; Aktenzeichen 544 StVK 926/06 Vollz)

 

Tenor

  • 1.

    Die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 8. Dezember 2006 wird verworfen, soweit sie den Antrag auf Feststellung betrifft, daß die Zwangsmedikation rechtswidrig war.

  • 2.

    Das Verfahren wird für erledigt erklärt, soweit es den Antrag betrifft, das Krankenhaus des Maßregelvollzugs zu verpflichten, die Zwangsmedikation einzustellen.

  • 3.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Durch Urteil vom 12. August 1998 ordnete das Landgericht Berlin die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit aufgrund einer paranoid-halluzinatorischen Psychose einen Totschlag begangen hatte. Bereits seit dem 5. März 1998 war er gemäß § 126 a StPO einstweilen untergebracht. Die behandelnden Ärzte im Maßregelvollzug diagnostizierten eine paranoide Schizophrenie mit episodischen Verlauf und aktuell stabilem Residuum (ICD 10: F 20.02) sowie eine kontinuierlich deliktbezogene Alkoholabhängigkeit bei gegenwärtiger Abstinenz in beschützender Umgebung (ICD 10: F 10.21). Der Untergebrachte hält sich für psychisch gesund. Von einer Krankheits- und Behandlungseinsicht ist er dem Votum seiner behandelnden Ärzte zufolge weit entfernt. Deswegen ist der Untergebrachte nicht bereit, dauerhaft freiwillig Medikamente einzunehmen. Die Ärzte des Krankenhauses des Maßregelvollzuges hielten - und halten - jedoch eine antipsychotische Medikation für erforderlich, damit der Untergebrachte in einen psychischen Zustand gerät, in dem er seine Erkrankung als solche wahrnehmen kann. Nur so bestehe die Chance, daß langfristig ein therapeutisches Bündnis zustande komme, aus dem heraus Rehabilitationsbemühungen erfolgreich sein könnten.

Sie holten daher von dem damaligen gesetzlichen Betreuer des Untergebrachten am 31. August 2006 die Genehmigung ein, ihrem Patienten dauerhaft in zweiwöchigem Abstand, auch gegen den Willen des Patienten, das Depot-Präparat Fluanxol(r), ein Neuroleptikum, zu verabreichen. Am 6. und 20. September 2006 sowie am 4. und 19. Oktober 2006 setzten Mitarbeiter des Krankenhauses des Maßregelvollzuges dem Untergebrachten nach vorangegangener Fixierung gegen seinen Willen Spritzen mit dem Präparat Fluanxol(r), welches bei dem Untergebrachten auch unerwünschte Nebenwirkungen verursachte. Gegen diese Behandlung wandte sich der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen auf gerichtliche Entscheidung ( §§ 109 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG)

  • 1.

    festzustellen, daß die Zwangsmedikationen unzulässig waren und

  • 2.

    das Krankenhaus des Maßregelvollzuges zu verpflichten, künftig eine Behandlung gegen seinen Willen zu unterlassen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin hat die Anträge durch den angefochtenen Beschluß vom 8. Dezember 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde verfolgt der Untergebrachte seine Anliegen weiter. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Während des Verfahrens über die Rechtsbeschwerde ist der bisherige Betreuer abberufen worden. Der nunmehrige Betreuer hat die Zustimmung zur Zwangsmedikation am 30. März 2007 widerrufen. Daraufhin haben die Ärzte des Krankenhauses des Maßregelvollzugs die Zwangsmedikation eingestellt.

Die Rechtsbeschwerde ist teils unbegründet, teils erledigt.

A.

Die form- und fristgemäß eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, um die Fortbildung des Rechts zu ermöglichen ( §§ 116 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG).

Der Einzelfall gibt Anlaß, bei der Auslegung von Rechtssätzen Leitsätze aufzustellen und zu festigen (vgl. BGHSt 24, 15, 21; HansOLG Bremen ZfStrVO 1991, 309; Senat, Beschluß vom 26. Januar 2007 - 2/5 Ws 702/06 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 116 Rdn. 2; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 116 Rdn. 3, jew. mit weit. Nachw.). Bislang hat zu der Frage der zwangsweisen Verabreichung von Neuroleptika an einen Untergebrachten im Einvernehmen mit dessen gesetzlichem Vertreter erst ein Oberlandesgericht im Verfahren nach §§ 109 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG Stellung genommen (vgl. OLG Hamm NStZ 1987, 144). Das Kammergericht hat sich mit der Zwangsmedikation zu Behandlungszwecken zwar in seinem Beschluß vom 20. Juni 1997 - 5 Ws 122/97 Vollz - (NStZ-RR 1997, 351 = StV 1998, 209) auseinandergesetzt. Über den Fall, daß der Betreuer des Untergebrachten der Medikation zustimmt, hat der Senat indes ausdrücklich nicht entschieden (vgl. Senat aaO, S. 352). Der Fortbildung des Rechts dient ein Beschluß auch dann, wenn zu einer Rechtsfrage erst ein Oberlandesgericht Stellung genommen hat und die Äußerung eines anderen Oberlandesgerichts zu derselben Frage geeignet ist, die Rechtsprechung zu festigen oder fortzuentwickeln. Zudem ist der Maßregelvollzug im Bundesland Berlin durch ein anderes Landesgesetz geregelt als im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

In der Sache hat die Rechtsb...

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