Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 16.03.1999; Aktenzeichen 290 OWi 2065/98) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 16. März 1999 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 350, - DM verurteilt und gegen ihn gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen; mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht hat in ihrer Stellungnahme zu dem Vorbringen des Betroffenen zutreffend ausgeführt:
"1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
a) Die Beanstandung, es sei fehlerhaft kein rechtlicher Hinweis ergangen, dass das Gericht im Vergleich zum Bußgeldbescheid sowohl eine höhere Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde gelegt als auch eine höhere Geldbuße verhängt hat (§§ 71 Abs. 1 OWiG, 265 Abs. 2 StPO), geht fehl. Die Feststellung, welcher Sicherheitsabzug von der gemessenen Geschwindigkeit abzuziehen ist, hat das Gericht - unabhängig davon, welchen Abzug die Verwaltungsbehörde in dem Bußgeldbescheid vorgenommen hat - im Rahmen seiner eigenen Beweiswürdigung zu treffen. Eine Änderung der Sachlage in einem für die Verteidigung wesentlichen Punkt [vgl. Göhler OWiG 12. Aufl. § 71 Rdnr. 50a] liegt nicht vor, wenn das Gericht dabei zu einem für den Betroffenen nachteiligeren Ergebnis gelangt. Es ist nicht verpflichtet, sich zum Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen zu erklären [vgl. BGHSt 43, 212, 215; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl., § 265 Rdnr. 7a]. Umstände, die das Gericht veranlassen, eine höhere Geldbuße als im Bußgeldbescheid festzusetzen, lösen. keine Hinweispflicht aus [vgl. KG, Beschluss vom 9. März 1998 - 5 Ws (B) 80/98 - m.w.N.; Göhler aaO].
Soweit die Rechtsbeschwerde behauptet, wegen des unterlassenen Hinweises sei darüber hinaus der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt worden, genügt diese Rüge nicht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) bedeutet, dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werden muss, sich dem Gericht gegenüber zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen, und dass das Gericht seine Darlegungen zur Kenntnis nehmen und in Erwägungen ziehen muss ['vgl Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., Einleitung Rdnr. 23). Dass dies nicht geschehen ist, behauptet die Rechtsbeschwerde nicht.
b) Die Rüge, der Amtsrichter habe rechtsfehlerhaft den Verteidiger am Halten des Schlussvortrages gehindert und das letzte Wort des Betroffenen verhindert (§§ 71 Abs. 1 OWiG, 258 Abs. 2 und 3 StPO), ist unbegründet.
Eine Verletzung der §§ 71 Abs. 1 OWiG, 258 Abs. 2, 2. Halbsatz, Abs. 3 StPO, die sicherstellen wollen, dass der Betroffene auch dann zu Wort kommt, wenn für ihn ein Verteidiger aufgetreten ist, und schließlich das letzte Wort hat, ist ausgeschlossen, weil eine Anwendung dieser Vorschriften die - hier nicht vorhandene - Anwesenheit des Betroffenen voraussetzt [vgl. BayObLG VRS 61, 128]. Das nach diesen Normen dem Betroffenen zustehende Recht ist ein höchstpersönliches Recht und nicht übertragbar, so dass bei Abwesenheit des Betroffenen der anwesende Verteidiger nicht verlangen kann, außer dem Schlussvortrag für den Betroffenen auch noch das letzte Wort zu erhalten [vgl. Engelhardt in KK-StPO 4. Aufl., § 258 Rdnr. 14: Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 258 Rdnr. 20).
Aber auch der Rüge, dem Verteidiger sei der Schlussvortrag nicht gewährt worden, ist durch den Vortrag der Rechtsbeschwerde, dass der Verteidiger nach Schluss der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht anwesend war, der Boden entzogen [vgl. BayObLG a.a.O. ]. Einem abwesenden Verteidiger kann keine Gelegenheit zum Halten des Schlussvortrages erteilt werden. Allein die Tatsache, dass kein Schlussvortrag gehalten worden ist, verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg [vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 258 Rdnr. 33 m.w.N.]. Dem Gericht ist es auch nicht grundsätzlich verwehrt, nach einer kurzen Unterbrechung die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Verteidigers fortzusetzen und durch Verkündung des Urteils zu beenden, wenn es die Verhandlung zu einem vorher bekanntgegebenen Zeitpunkt fortsetzen will [vgl. KG VRS 82, 135, 137 f].
Soweit die Rechtsbeschwerde die Abwesenheit des Verteidigers mit der Unzulässigkeit der von dem Amtsrichter angeordneten Unterbrechung der Verhandlung von 13.15 bis 15.00 Uhr begründet, ist diese Frage vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge zu prüfen. Eine solche Rüge ist jedoch nicht zulässig erhoben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Anordnung einer Unterbrechung durch den Vors...