Entscheidungsstichwort (Thema)
spätere Aufhebung von Umlagebeschlüssen. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Bei der späteren Aufhebung von Umlagebeschlüssen ist eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange eines Wohnungseigentümers dann nicht gegeben, wenn die alten Umlagebeschlüsse bereits durch folgende Abrechnungsbeschlüsse überholt sind.
Normenkette
WEG § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2
Beteiligte
Weitere Beteiligte zu II. 1) – 68) wie aus dem Beschluß des Landgerichts Berlin vom 23. Juni 1992 – 85 T 210/91 – ersichtlich |
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 70 II 31/91) |
LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 210/91) |
Tenor
Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Eigentümerbeschlüsse vom 14. Januar 1991 zu TOP 5 b und 5 c und der Kostenentscheidung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen, das auch über die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden hat.
Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert für die dritte Instanz wird auf 10.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Durch Eigentümerbeschluß vom 10. Dezember 1985 war zu TOP 10 festgelegt worden, daß pro Wirtschaftsjahr, erstmalig im Wirtschaftsjahr vom 1. Mai 1985 bis zum 30. April 1986, eine Instandhaltungsrücklage von 90.000,00 DM gebildet werden sollte, ferner zu TOP 19, daß wegen dringender Reparaturarbeiten eine Liquiditätsumlage von 150.000,– DM bis zum 20. Dezember 1985 von den Miteigentümern entsprechend ihren Anteilen eingezahlt werden sollte. Nachdem die Antragstellerin am 30. Oktober 1989 Miteigentümerin hinsichtlich der Wohnungen Nr. 37, 63 und 75 geworden ist, hat die Eigentümergemeinschaft am 14. Januar 1991 mehrheitlich zu TOP 5 b beschlossen, den Beschluß zu TOP 10 vom 10. Dezember 1985 aufzuheben und den Jeweiligen Verwalter anzuweisen, keine Rücklage für den Zeitraum vom 1. Mai 1985 bis zum 30. April 1986 in Höhe von 90.000,– DM zu bilden, ferner zu TOP 5 c, den Beschluß zu TOP 19 vom 10. Dezember 1985 aufzuheben und keine Liquiditätssonderumlage in Höhe von 150.000,– DM zu bilden, da das Wirtschaftsjahr 1985 abgerechnet sei. Die hierzu (und zu anderen Eigentümerbeschlüssen) eingereichten Anfechtungsanträge der Antragstellerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Auf die Erstbeschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht die Eigentümerbeschlüsse vom 14. Januar 1991 zu TOP 5 b und 5 c für ungültig erklärt. Die sofortige weitere Beschwerde der übrigen Beteiligten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Die gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist sachlich gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG).
Das Landgericht führt aus: Zwar könnten einmal gefaßte Eigentümerbeschlüsse durch nachfolgende Eigentümerbeschlüsse auch wieder aufgehoben werden. Dies dürfe aber nicht dazu führen, daß durch die Aufhebung der gefaßten Beschlüsse in durch diese Beschlüsse begründete Rechtsstellungen einzelner Eigentümer eingegriffen wird (BGHZ 113, 197 = NJW 1991, 979). Auch wenn es nie zur Bildung der Instandhaltungsrücklage gekommen sei, habe die in die Gemeinschaft erst am 30. Oktober 1989 eintretende Antragstellerin darauf vertrauen dürfen, daß aufgrund der vorhandenen Beschlußlage eine Instandhaltungsrücklage in Höhe von 90.000,– DM pro Wirtschaftsjahr gebildet worden sei bzw. die damaligen Miteigentümer insoweit in Anspruch genommen würden. Dadurch würden sich die Belastungen der Antragstellerin für nunmehr durchzuführende Instandsetzungsarbeiten verringern. Ebenso widerspreche der Verzicht auf die Liquiditätsumlage in Höhe von 150.000,– DM ordnungsmäßiger Verwaltung.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach BGHZ 113, 197 ist die Wohnungseigentümergemeinschaft befugt, über eine schon geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen, wobei der neue Beschluß jedoch schutzwürdige Belange eines Wohnungseigentümers aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses beachten muß. Diese Grundsätze legt das Landgericht seiner Entscheidung auch zugrunde, schränkt die Ermessensfreiheit der Gemeinschaft aber zu stark ein und prüft nicht hinreichend, ob wirklich schutzwürdige Belange eines Wohnungseigentümers aus dem Erstbeschluß vorhanden sind. So führt der angefochtene Beschluß aus, daß auch absolut nicht vollzogene alte Umlagebeschlüsse notfalls noch nach mehreren Jahren durchgesetzt werden müßten. Das ist in dieser Allgemeinheit rechtlich nicht haltbar.
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze haben zum Ausgangspunkt, daß die Gemeinschaft regelmäßig auch über bereits beschlossene Angelegenheiten erneut befinden kann. Dabei ist nicht nur an Fälle zu denken, in denen sich die Durchführung des Erstbeschlusses als unmöglich erwiesen hat, sondern auch daran, daß die Ausführung unzweckmäßig oder unwirtschaftlich erscheint oder einfach auch der Wunsch nach einer anderen Gestaltung aufgrund besserer Einsicht be...