Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem Gerät LEIVTEC XV3 dürfen Frontmessungen auch von einem erhöhten Standort durchgeführt werden. Dies schließt die Messung von einer Brücke grundsätzlich mit ein.
2. Bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% kommt, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen, regelmäßig nur Vorsatz in Betracht.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 11.03.2019; Aktenzeichen 306 OWi 367/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. März 2019 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 27. Mai 2019 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.
Die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft lediglich bekräftigend und teilweise ergänzend bemerkt der Senat:
1. Mit dem Gerät LEIVTEC XV3 dürfen Frontmessungen auch von einem erhöhten Standort durchgeführt werden. Dies schließt die Messung von einer Brücke ein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 21. Dezember 2017 - 3 Ws (B) 234/17 - und vom 5. Januar 2018 - 3 Ws (B) 303/17 -). Das Amtsgericht war daher weder unter dem Gesichtspunkt der Amtsaufklärung noch infolge des durch den Betroffenen gestellten Antrags zu weiteren Beweiserhebungen veranlasst. Namentlich war es nicht gehalten, dem Antrag auf Beiziehung der "gesamten Messreihe" nachzugehen. Die diesbezüglichen Verfahrensrügen sind zumindest unbegründet.
2. Die weitere Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe es nach einem rechtlichen Hinweis auf Vorsatz entgegen §§ 71 OWiG, 265 Abs. 3 StPO unterlassen, die Hauptverhandlung auszusetzen, ist gleichfalls jedenfalls unbegründet. Denn es ist nicht ersichtlich, wie sich der Betroffene, wäre die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, erfolgversprechend gegen den neuen Gesichtspunkt hätte verteidigen können. Die von der Rechtsbeschwerde angedachte Beauftragung und Ladung eines "öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen" wäre bei der hier abgeurteilten Geschwindigkeitsüberschreitung um 55% zur Belegung nur fahrlässiger Tatbegehung gänzlich ungeeignet. Mögen die mit einer derart erhöhten Geschwindigkeit einhergehenden Fahrgeräusche ebenso wie die Fahrzeugvibration messbar und damit einer Beweiserhebung jedenfalls im Grundsatz zugänglich sein, ist dies bei der, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung formuliert, schneller "vorbeiziehenden Umgebung" (vgl. zB Beschluss vom 20. November 2000 - 3 Ws (B) 550/00 - [juris]) nicht in gleicher Weise quantifizierbar möglich. Die Rechtsbeschwerde legt auch keine weitere Möglichkeit dar, mit der sich der Betroffene erfolgversprechend gegen die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung verteidigen konnte.
3. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung ist auch sachlichrechtlich fehlerfrei. Bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% kommt, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen, regelmäßig nur Vorsatz in Betracht (std. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 3 Ws (B) 266/18 - [juris] mwN). Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, "Laien" seien "gerade nicht in der Lage ... Geschwindigkeiten sich bewegender Objekte zuverlässig einschätzen zu können", geht fehl, weil das Amtsgericht den Betroffenen lediglich für überführt angesehen hat, bewusst eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben. Dass dies - zumindest als rechtlich gleichstehende billigende Inkaufnahme - bei der hier abgeurteilten Geschwindigkeitsüberschreitung um sogar 55% der Fall war, liegt im Sinne des vom Senat in ständiger Rechtsprechung geprägten Erfahrungssatzes (mit einer im Grundsatz tatsächlich widerlegbaren Wahrscheinlichkeitsaussage) auf der Hand. Hier kommt noch hinzu, dass der Betroffene einschlägig vorbelastet war und sogar wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Fahrverbot verbüßt hatte.
Der Senat hält an dem Erfahrungssatz ausdrücklich fest. Er widerspricht, anders als die Verteidigung meint, keinesfalls der durch das OLG Brandenburg am 17. Juni 2014 getroffenen und in VRS 127, 41 veröffentlichten Entscheidung.
4. Nach dem unter 1. Ausgeführten ist das Amtsgericht zutreffend von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen, so dass es rechtsfehlerfrei die für das Urteil vorgesehenen Vereinfachungen in Anspruch nehmen konnte.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI13199165 |