Leitsatz (amtlich)
In Fällen einer HWS-Distorsion I. Grades (mit weiteren geringfügigen Verletzungen wie Beckenprellung, Platzwunde auf dem linken Handrücken und Schürfwunde am linken Bein, die folgenlos ausgeheilt sind), ist regelmäßig ein Schmerzensgeld im Bereich von 1.000 EUR pro Monat der Erwerbsunfähigkeit angemessen, solange letztere mindestens 50 % betragen hat (vgl. auch Senat, Urt. v. 20.9.2007 - 22 U 24/07, 19.2.2007 - 22 U 30/06 -; v. 16.9.2006 - 22 U 232/04).
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.11.2006; Aktenzeichen 24 O 473/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.11.2006 verkündete Urteil des LG Berlin - 24 O 473/05 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 100 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2005 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 1.248,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 67 % und der Beklagten zu 33 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO) abgesehen.
Gründe
A.1. Die Berufung ist zulässig.
Die Bedenken der Beklagten hinsichtlich der Verständlichkeit der Anträge und der Bestimmtheit des Umfangs der Berufung greifen nicht durch.
Die Berufung richtet sich - wie aus der Berufungsbegründung ersichtlich - gegen
- die Höhe des vom LG zuerkannten Schmerzensgeldbetrages (1.250 EUR), wobei die Klägerin 3.500 EUR für angemessen hält;
- Hinsichtlich der Schadensersatzforderungen gegen die Abweisung eines Betrages i.H.v. 18,80 EUR sowie
- gegen die Abweisung des Feststellungsantrages
Ferner ist die Klägerin der Auffassung, dass eine Aufrechnung der Beklagten wegen angeblicher Überzahlung nicht in Betracht komme, weil die 2.400 EUR - unstreitig - ohne Vorbehalt auf das Schmerzensgeld gezahlt worden seien.
Das LG hat von den Schadensersatzforderungen insgesamt 1.248,73 EUR (Aufstellung S. 11 des Urteils) als berechtigt angesehen. Da nach Auffassung des LG nur ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.250 EUR gerechtfertigt gewesen ist und das LG ferner die Aufrechnung der Beklagten mit einem Rückzahlungsanspruch wegen des danach überzahlten Betrages (2.400 EUR abzgl. 1.250 EUR ergeben 1.150 EUR) zugelassen hat, ergab sich ein Verurteilungsbetrag von 98,73 EUR (1.248,73 EUR abzgl. 1.150 EUR).
Die Berufungsanträge zu 1. (Schmerzensgeld) und 2. (Schadensersatz) sind daher - in Verbindung mit der Berufungsbegründung - verständlich:
Die Klägerin begehrt die Zahlung von weiteren 1.168,80 EUR Schadensersatz, nämlich 1.150 EUR vom LG als begründet angesehene, aber wegen der Aufrechnung erloschene Schadensersatzforderungen und einen Betrag von 18.80 EUR, der vom LG als unbegründet angesehen worden ist.
Da die Bestimmung des Schmerzensgeldbetrages von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO abhängig ist, muss er nach ständiger Rechtsprechung nicht beziffert werden, sondern es reicht aus, wenn die vom Kläger vorgestellte Größenordnung erkennbar ist (statt Vieler: Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 253 Rz. 14). Aus der Berufungsbegründung ergibt sich, dass die Klägerin nach wie vor einen Betrag von (mindestens) 3.500 EUR für angemessen hält, also abzgl. der bereits von der Beklagten vorprozessual gezahlten 2.400 EUR weitere 1.100 EUR.
2. In der Sache hat die Berufung teilweise - nämlich hinsichtlich eines Teils der Schmerzensgeldforderung - Erfolg.
Der Senat hält ein Schmerzensgeld i.H.v. 2.500 EUR für angemessen, so dass sich unter Berücksichtigung der bereits gezahlten 2.400 EUR ein Anspruch i.H.v. 100 EUR ergibt. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung bleibt es bei den vom LG als begründet angesehenen 1.248,73 EUR.
a) Schmerzensgeld
aa) Das Berufungsgericht ist nach aktueller Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 28.3.2006 - VI ZR 46/05, z.B. NJW 2006, 1589; MDR 2006, 1123), auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts gehalten, die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie für zwar vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es also nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine a...