Leitsatz (amtlich)
1. Der Verkehrssicherungspflichtige einer Strassenbaustelle (Baugrube in der Strassenmitte) muss die Gefahren ausräumen oder vor ihnen warnen, die für den Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag.
2. Bei einer Baugrube in der Strassenmitte mit einer Tiefe von bis zu 20 cm, einer Länge von 2-3 m und einer Breite von ca. 1,5 m reicht eine Absicherung mit 15-28 cm hohen Sichtzeichen (Warnhütchen) zusammen mit einer gelben Fahrbahnmarkierung etwa 6 m vor der Baugrube auch dann nicht aus, wenn vor der Baustelle die Zeichen 123 und 121 zu § 40 StVO (Baustelle und Fahrbahnverengung) aufgestellt sind sowie durch die Zeichen 276 und 274 zu § 41 StVO ein Überholverbot und eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h angeordnet wird; vielmehr sind ein einem solchen Fall Warnbaken mit Signalleuchten erforderlich.
3. Gerät der Kraftfahrer mit nicht angepasster Geschwindigkeit in die Baugrube, weil er die reflektierende gelbe Fahrbahnmarkierung nicht beachtet hat, kommt ein Mitverschulden von 50 % in Betracht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 24.06.2008; Aktenzeichen 24 O 229/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 24.6.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 24 O 229/06 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.280,33 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien zu je 50 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Auf die zulässige Berufung des Klägers war das erstinstanzliche Urteil im aus dem Tenor ersicht- lichen Umfang abzuändern, da sie in der Sache nur teilweise Erfolg hat.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des ihm aus dem Verkehrsunfall vom 12.8.2005 entstandenen Schadens aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, wobei er sich gem. § 254 Abs. 1 BGB ein Mitverschulden i.H.v. 50 % anrechnen lassen muss.
1. Entgegen den Ausführungen des angegriffenen Urteils befand sich die von der Beklagten eröffnete streitgegenständliche Baustelle in der Seelenbinderstraße in Berlin Köpenick zum Zeitpunkt des Unfalls in einem objektiv verkehrswidrigen Zustand.
Dies ergibt sich aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien, den von dem Kläger eingereichten Lichtbildern der Unfallstelle sowie dem Tätigkeitsbericht der zu dem Unfall gerufenen Polizei.
a) Unstreitig hatte die BVG am Freitag, den 12.8.2005, zum Zweck der Durchführung von Baumaßnahmen der Beklagten für die Berliner Wasserbetriebe, im Bereich der auf der Fahrbahn verlegten Schienen der auf der Seelenbinderstraße noch verkehrenden Straßenbahn eine Baugrube von ca. 1,44 m Breite, 2,5 m Länge und ca. 20 cm Tiefe ausgehoben.
Diese Vertiefung wurde im Auftrag der Beklagten von der ...GmbH lediglich derart gesichert, dass im Abstand von ca. 6 m vor und hinter der Baugrube reflektierende gelbe Fahrbahnmarkierungen von der Fahrbahnmitte aus schräg verlaufend aufgebracht und sog. "Warnhütchen" aufgestellt wurden. Die im für Arbeiten bei 2-streifiger Fahrbahn mit Arbeitsstelle in der Fahrbahnmitte gültigen Regelplan B 1/7 vorgesehenen Warnbaken (Zeichen 605) wurden hingegen nicht aufgestellt.
Die vorgenommenen Sicherungsvorkehrungen genügten entgegen den Ausführungen des LG nicht, um den Verkehr vor der durch die aufgenommenen Arbeiten geschaffenen Gefahrensituation zu warnen und zwar auch dann nicht, wenn, wie vorliegend, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h herabgesetzt, ein Überholverbot angeordnet und Verkehrszeichen 123 und 121 vor einer Baustelle mit Fahrbahnverengung warnten.
Wie das LG richtig ausgeführt hat, ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Dritter möglichst zu verhindern. Der Verkehrssicherungspflichtige muss dabei diejenigen Gefahren ausräumen oder vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. OLG Celle, Urt. v. 8.2.2007 - 8 U 199/06, NJW-RR 2007, 972).
Wie das LG ebenfalls richtig festgestellt hat, kann dabei die Verkehrssicherungspflicht über das durch öffentlich-rechtliche Vorschriften, Maßnahmen und Genehmigungen Geforderte hinausgehen und geht auch dann nicht auf die Behörde über, wenn diese dem Verkehrssicherungspflichtigen Auflagen zur Sicherung gemacht hat. Der Bauunternehmer hat vielmehr eigenverantwortlich zur Gefahrenabwehr erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, soweit die behördlich angeordneten nicht ausreichen; auch die Billigung unzureichender Maßnahmen entlastet den Bauunternehmer nicht (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 45 StVO, Rz. 45).
Insbesondere kann sich die Beklagte auch nicht darauf be...