Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 03.03.1980; Aktenzeichen 17 O 333/78)

 

Tatbestand

Die am 14. Dezember 1961 geborene Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes wegen erheblicher Kiefer- und Gesichtsverletzungen in Anspruch, die sie bei einem Verkehrsunfall am 6. Mai 1978 gegen 22.00 Uhr in B. erlitt. Als Radfahrerin stürzte sie in eine von dem Beklagten am 3. Mai 1978 im Auftrage der Firma R. & Co T. auf dem nördlichen Radweg der L.-Straße vor der Einmündung der Z.-Straße ausgehobene, mit Regenwasser gefüllte und zur Unfallzeit ungesicherte 100 x 120 cm große und 25 - 30 cm tiefe Baugrube, nachdem zuvor Unbekannte vier von dem Beklagten um die Baugrube herum aufgestellte vertikale Absperrbaken und ein Verkehrsschild mit dem Zeichen 222 entfernt hatten. Der Beklagte hatte noch am 3. Mai 1978 - am 4. Mai 1978 war Himmelfahrt - seinen Erholungsurlaub angetreten, nachdem er zuvor den Platzmeister B. von der Firma R. & Co von der Durchführung seiner Arbeit verständigt und gebeten hatte, nunmehr die Firma K. zu unterrichten, die die Baugrube ausfüllen und asphaltieren sollte; B. erreichte jedoch vor dem Unfall einen Bauleiter der Firma K. nicht.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum Anspruchsgrund und zur Schadenshöhe den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 15.000 DM verurteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihm am 24. März 1980 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19. April 1980 Berufung eingelegt und diese am 19. Mai 1980 begründet. Er führt aus, die von ihm getroffenen Sicherungsmaßnahmen seien ausreichend gewesen, die spätere Entfernung der Warnbaken durch Unbekannte infolge groben Unfugs habe er nicht zu vertreten. Selbst wenn eine ständige Überwachung geboten gewesen wäre, hätte er dieser Verpflichtung durch Beauftragung eines Dritten (B.) genügt. Die Klägerin treffe auch ein Mitverschulden, da sie nach den Angaben des im Ermittlungsverfahren gehörten Unfallzeugen W. an dem zur Seite geschobenen Warnschild vorbei in die Baugrube gefahren sei. Das zuerkannte Schmerzensgeld sei im Übrigen zu hoch. Die Klägerin habe keine entstellende Mundöffnungseinschränkung erlitten. Mögliche weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen könnten nur im Rahmen eines Feststellungsanspruchs verfolgt werden. Auch sei, wenn überhaupt, lediglich von einem geringfügigen Verschulden des Beklagten auszugehen. Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Berufungsvorbringen aus den Gründen des angefochtenen Urteils entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien sowie die Krankengeschichte des R.-Krankenhauses und einen Auszug der Strafakten 313 Ds 501/78 des Amtsgerichts Tiergarten, welche zu Informationszwecken herbeigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Wegen der Höhe des der Klägerin zuerkannten Schmerzensgeldes erweist sie sich teilweise als begründet, im Übrigen als ungerechtfertigt.

Zu Recht hat das Landgericht eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB durch den Beklagten angenommen. Die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen, beruht auf dem Gedanken, dass jeder, der Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter treffen muss (BGH, NJW 1966, 1457; Palandt/Thomas, BGB, 39. Aufl., § 823 Rdn. 8 a). Unstreitig war der Beklagte als Polier für die Baustelle der Firma R. & Co verantwortlich. Die Rechtspflicht des Beklagten konkretisierte sich hier in einer Verpflichtung zu einer ausreichenden Absicherung der Baustelle (BGH, NJW 1965, 2104). Nun ist allerdings eine Verkehrssicherung, welche jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar, und es muss auch nicht für alle erdenkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden; vielmehr sind nur diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, welche im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer Benutzung drohen (BGH, NJW 1978, 1629). Die von dem Beklagten vorgenommene Absicherung der Baustelle erwies sich aber aus mehreren Gründen als unzureichend.

Das Landgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass für eine ordnungsgemäße Absicherung die Verwendung horizontaler Absperrgeräte erforderlich gewesen wäre, und zwar von Absperrschranken im Sinne des § 43 Abs. 3 Nr. 2 StVO, während die bloße Aufstellung von vertikalen Baken an den vier Ecken der Baugrube ohne eine gleichzeitige waagerechte Absperrung als unzureichend anzusehen ist. Die offen gebliebene Baugrube von nicht unerheblicher Tiefe erstreckte sich über die gesamte Breite des 1 m breiten Radweges,...

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