Leitsatz (amtlich)
Die Auffassung, wonach beim parallelen Rechtsabbiegen zwischen den übereinstimmend mit auf der Fahrbahn angebrachten Richtungspfeilen vor der Einmündung mehrspurig nach rechts eingeordneten Fahrzeugen grundsätzlich kein Vorrang des am weitesten rechts eingeordneten Fahrzeugs besteht, sondern über § 1 Abs. 2 StVO die für den Spurwechsel geltende Sorgfalt zu beachten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 75/06 -, juris), gilt auch für Fälle, in denen ein sog. Vorwegweiser i.S.v. Zeichen 439 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO ein paralleles Rechtsabbiegen gebietet.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 30.11.2021; Aktenzeichen 46 O 174/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und der Drittwiderbeklagten wird das am 30. November 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 46 O 174/21 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung geändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.757,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche zukünftige materiellen Schäden nach einer Haftungsquote von 50 % zu ersetzen, die ihr durch das Unfallereignis am 13. September 2020 in Berlin entstanden sind.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden nach einer Haftungsquote von 50 % zu ersetzen, die ihr aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung bei der xxx Versicherung x wegen des Unfalls vom 13. September 2020 (Schaden Nr. xxx) entstanden sind.
4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 334,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2020 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Auf die Widerklage werden die Klägerin und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten zu 1. 3.571,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juni 2021 zu zahlen.
7. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Von den in der ersten Instanz entstandenen Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 34 %, die Klägerin alleine weitere 10 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 22 % und der Beklagte zu 1. alleine weitere 34 %.
Von den in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 22 % und der Beklagte zu 1. weitere 34 %.
Von den in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. tragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 34 % und die Klägerin alleine weitere 10 %.
Von den in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. trägt die Klägerin 33 %.
Von den in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte zu 1. 50 %.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Von den in der zweiten Instanz entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 39 % und der Beklagte zu 1. alleine weitere 61 %.
Der Beklagte trägt die in der zweiten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre in der zweiten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin und der Beklagte zu 1. machen wechselseitig Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis vom 13. September 2020 geltend.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Diese werden wie folgt ergänzt :
Wegen der Einzelheiten der Fahrbahnmarkierungen und Beschilderungen am Unfallort wird auf das von der Klägerin mit ihrer Klageschrift zur Akte gereichte Lichtbild (Bl. 3 d.A.) sowie auf den beigezogenen Beschilderungsplan (Bl. 96 d.A.) Bezug genommen, wobei die roten Markierungen in letzterem zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles noch nicht umgesetzt waren.
Die Klägerin hat im Hinblick auf ihre Behauptung, sie habe wegen des Unfallereignisses nur eine Kaskoentschädigung von 3.186,79 EUR erhalten, auf das als Anlage K 5 zur Akte gereichte Abrechnungsschreiben der xxx Versicherung x vom 5. November 2020 (Bl. 28 f d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagten haben die Unfallversion der Klägerin mit Ausnahme des behaupteten Zusammenstoßes bestritten. Sie machen geltend, die Klägerin habe das Recht des Beklagten zu 1. auf freie Fahrst...