Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsunterhalt: Umfang der Erwerbsobliegenheit bei Betreuung eines 8-jährigen Schulkindes
Leitsatz (amtlich)
Nach der Scheidung ist der betreuende Elternteil des gemeinsamen achtjährigen Kindes auch nach neuem Unterhaltsrecht nicht verpflichtet, das Kind - abweichend von der während der Ehe praktizierten Kindesbetreuung - ganztägig in eine Fremdbetreuung zu geben, um selbst einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können und seinen Unterhaltsbedarf selbst zu decken.
Normenkette
BGB § 1570
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 145 F 14923/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsgegner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Ergänzend wird festgestellt:
Mit der Berufungsbegründungsschrift vom 24.10.2008 reichte der Antragsgegner die Verdienstabrechnung des Monats Dezember 2007 ein, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Antragstellerin ist als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin erwerbstätig, der Antragsgegner arbeitet als Schlosser bei den Berliner Verkehrsbetrieben.
Das FamG hat die am 9.9.1999 geschlossene Ehe der Parteien durch das angefochtene Verbundurteil vom 22.7.2008 geschieden, den Versorgungsausgleich zugunsten der Antragstellerin durchgeführt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den fast achtjährigen Sohn der Antragstellerin übertragen und den Antragsgegner zu einem nachehelichen Unterhalt i.H.v. 241,74 EUR monatlich, aufgeteilt in 193,20 EUR Elementar- und 48,54 EUR Altersvorsorgeunterhalt, verurteilt. Die weitergehende Unterhaltsklage der Antragstellerin, mit der sie monatlich 261 EUR verlangt hat, hat es abgewiesen. Das gemeinsame Kind der Parteien ist am 10.9.2000 geboren und besucht bis 15.00 Uhr den Hort. Das AG ist der Ansicht, dass der Antragstellerin im Hinblick auf das betreuungsbedürftige Kind eine Vollzeittätigkeit nicht zumutbar sei. Auf andere Betreuungsmöglichkeiten durch die Großeltern sei nicht abzustellen, da es sich um freiwillige Leistungen Dritter handele, die unterhaltsrechtlich nicht relevant seien. Auch die mögliche Ausweitung der Betreuung durch den Antragsteller selbst sei nicht maßgebend, weil ein Wechselmodell angesichts der erheblichen Kommunikationsprobleme zwischen den Eltern dem Kindeswohl widerspräche. Eine Herabsetzung oder Begrenzung des nachehelichen Unterhalts hat das AG abgelehnt, weil unter Berücksichtigung des derzeitigen Alters des Kindes nicht prognostiziert werden könne, ob ein zeitlich unbegrenzter Unterhalt unbillig wäre. Eine konkrete zeitliche Begrenzung sei in § 1570 BGB auch nicht vorgesehen. Wegen der Unterhaltsberechnung wird auf das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihm 24.7. 2008 zugestellte Urteil wendet sich der Antragsgegner mit der am 11.8.2008 eingegangenen und mit dem - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - am 24.10.2008 eingegangenen Schriftsatz begründeten Berufung.
Er begehrt die Abweisung des Antrags auf nachehelichen Unterhalt und vertritt die Ansicht, die Antragstellerin könne ihre Erwerbstätigkeit ausweiten. Die Betreuung des Kindes sei kein Hinderungsgrund, denn R. könne täglich bis 18.00 Uhr im Hort betreut werden (Beweis: Zeugnis H.). Er behauptet, das sei sogar günstig für das Kind, weil ihm dort eine ergänzende Hausaufgabenbetreuung und zahlreiche Freizeitaktivitäten geboten werden, die er gerne wahrnehme (Beweis: Zeugnis H.). Soweit die Antragsstellerin behaupte, sie könne bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber ihre Arbeitszeiten gar nicht ausweiten, sei das nicht glaubhaft. Denn sie sei dort langjährig tätig, der Arbeitgeber werde sich angesichts einer derart erfahrenen Kraft auf die Ausweitung eher einlassen, wenn sie es ernsthaft fordern würde. Außerdem obliege es ihr, notfalls den Arbeitgeber zu wechseln. Vor diesem Hintergrund entspreche es nicht der Billigkeit, dass sie weiterhin Betreuungsunterhalt erhält. Der Antragsgegner beruft sich zur Begründung seiner Auffassung auf das Urteil des BGH v. 16.7.2008 (XII ZR 109/05). Entgegen der Auffassung des FamG sei auch die tatsächlich bestehende Möglichkeit der Kindesbetreuung durch die Großeltern in die Billigkeitserwägungen einzubeziehen. Das ergäbe sich schon aus der Begründung zum Entwurf des § 1570 BGB. Das AG habe das überkommene Altersphasenmodell, über das es sogar hinausgegangen sei, angewandt. Das widerspreche aber der Regelvermutung des § 1570 BGB n.F., wonach ab dem Alter eines Kindes von drei Jahren eine Vollbeschäftigung auszuüben sei. Elternb...