Leitsatz (amtlich)

Zur Abgrenzung zwischen einer entschädigungspflichtigen Maßnahme des Einspeisemanagements und der Wahrnehmung der Systemverantwortung durch den Netzbetreiber gegenüber den Betreibern von Anlagen für die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien

 

Normenkette

EnWG § 13 Abs. 2; EEG § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1, §§ 13-14

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 08.04.2011; Aktenzeichen 19 O 92/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.4.2011 verkündete Urteil des LG Berlin (19 O 92/10) wird i.H.v. 5.082,06 EUR als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der Streithelferin, hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung zurückgewiesen wird.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Entschädigung i.H.v. 13.205,14 EUR als Ausgleich für die ihr am 3./4.1.2009 in der Zeit von 18:11 Uhr bis 7:18 Uhr wegen der Abschaltung ihrer Windkraftanlagen am Standort S. entgangene Einspeisevergütung.

Die Windkraftanlagen der Klägerin sind, mit einer Leistung von insgesamt 18 Megawatt, unmittelbar an das Netz der Streithelferin angeschlossen, die ein Elektrizitätsverteilernetz betreibt. Am 3./4.1.2009 trat aufgrund starken Windaufkommens in der Uckermarkregion, die zum Versorgungsgebiet der Streithelferin gehört, eine erhöhte (Rück-)einspeisung über die beiden Transformatoren des Umspannwerkes V ... ein, das das Hochspannungsnetz der Streithelferin mit dem Höchstspannungsnetz der Beklagten verbindet. Daraufhin übersandte die Beklagte an die Streithelferin insgesamt drei Anforderungen "von Anpassungen nach § 13 Abs. 2 EnWG bei VNB und direkt angeschlossenen Kunden" zur Erhöhung der Abnahme bzw. Reduzierung der Einspeisung am Umspannwerk V ... Die Streithelferin gab die Maßnahme der Beklagten u.a. an die Klägerin weiter, indem sie die Klägerin dazu aufforderte, die Leistung ihrer Anlagen, die nicht mit einer technischen Vorrichtung zum stufenweisen Einspeisemanagement ausgestattet waren, auf Null zu reduzieren. Dieser Aufforderung kam die Klägerin am 3.1.2009 um 18:11 Uhr durch Abschaltung ihrer Windkraftanlagen nach. Mit Faxnachricht vom 4.1.2009, 0:47 Uhr, informierte die Streithelferin die Klägerin über die Beendigung der Maßnahme "zur Stabilisierung der Systemsicherheit (§ 13 Abs. 2)" am selben Tag um 2:00 Uhr (Anlage NV 1). Die Klägerin schaltete die Anlagen am 4.1.2009 um 7:18 Uhr wieder an.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Entschädigungsanspruch nach der Härtefallregelung des § 12 Abs. 1 EEG nicht zur Seite. Die Beklagte sei nicht der aus der Härtefallregelung verpflichtete Netzbetreiber, weil schon kein konkretisiertes EEG-Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehe. Auch liege keine Maßnahme der Beklagten nach § 11 Abs. 1 EEG vor. Die Anlagen der Klägerin seien an das Netz der Beklagten nicht unmittelbar angeschlossen. Auch sei nicht ersichtlich, dass eine Überlastung des Netzes der Beklagten allein durch Strom aus erneuerbaren Energien vorlag. Ein Verstoß gegen die in § 9 EEG normierten Ausbaupflichten liege ebenfalls nicht vor, der abgesehen davon auch keinen Entschädigungsanspruch nach § 12 EEG begründen könne. Auch sei es naheliegend, dass die Netzbetreiber hier eine Maßnahme nach §§ 13, 14 EnWG ergriffen hätten. Eine Umgehung der §§ 11, 12 EEG liege darin nicht, weil die Beklagte allein Maßnahmen nach §§ 13, 14 EnWG gegenüber der Klägerin habe treffen können. Eine entsprechende Anwendung der Entschädigungsregelung des § 12 Abs. 1 EEG auf Maßnahmen nach § 13 EnWG komme nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Auch sei der Anspruch der Höhe nach nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin am 4.1.2009 ab 2:00 Uhr ihre Windkraftanlagen habe wieder einschalten und den Strom aus erneuerbaren Energien in das Netz habe einspeisen können. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 12 Abs. 3 EEG unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stehe der Klägerin nicht zu, weil es bereits an einem betriebsbezogenen Eingriff fehle, der sich unmittelbar gegen den Betrieb als solchen richte.

Die Klägerin, der das am 8.4.2011 verkündete Urteil des LG am 14.4.2011 zugestellt worden ist, hat am 28.4.2011 einen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt, über den die Vorinstanz wegen des Ausscheidens der erkennenden Einzelrichterin aus der Kammer nicht entschieden hat.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie ist der Auffassung, es komme fü...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge