Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Finanzinstituts, wonach ein Entgelt für die Verwahrung von Einlagen auf einem Tagesgeldkonto zu entrichten ist, ist als Preishauptabrede einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen.
2. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Finanzinstituts, wonach ein Entgelt für die Verwahrung von Bareinlagen auf dem Girokonto zu entrichten ist, ist als Preishauptabrede einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen. Soweit ein Entgelt von 0,50 % p.a. auf Einlagen von über 25.000 Euro zu entrichten ist, hielte diese konkrete Ausgestaltung aber auch einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 stand.
3. Zur Wirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Entgeltpflicht für die Ausstellung einer Ersatzkarte/Ersatz-PIN.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 28.10.2021; Aktenzeichen 16 O 43/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.10.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 16 O 43/21 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in derartigen Verträgen über Zahlungsdienste mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 01. April 1977, zu berufen:
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 210,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.03.2021 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wir die Klage abgewiesen.
4. Der Kläger hat von den Kosten des Rechtsstreits 78 Prozent und die Beklagte 22 Prozent zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung 5.000 Euro und hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
6. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht als klagebefugter Verbraucherverband gegen die Beklagte, eine Genossenschaftsbank, Ansprüche auf Unterlassung nach dem UKlaG und Beseitigungs- und Auskunftsansprüche nach dem UWG geltend.
Im Einzelnen wendet sich der Kläger gegen die Erhebung von Verwahrentgelt bei Girokonten und Tagesgeldkonten. Daneben begehrt der Kläger noch Unterlassung der Verwendung von Klauseln zur Erhebung von Kosten für die Ersatzausstellung einer Debitkarte/BankCard bzw. Ersatz-PIN.
Die Beklagte bietet die Girokonten "DeinKonto" (Kontoführungsgebühren 4,90 Euro), "DeinKonto inkl. PlusPaket" (Kontoführungsgebühren 8,90 Euro) sowie das Girokonto "Free" ohne Kontoführungsgebühren an. Daneben bietet die Beklagte auch die Tagesgeldkonten xxxCash und xxxCash Online an. Hierbei handelt es sich um Sichteinlagen mit täglicher Fälligkeit und einer gestaffelten variablen Verzinsung. Verfügungen sind täglich von diesen Konten möglich; zum Zahlungsverkehr können diese Konten nicht genutzt werden.
Zum 01. August 2020 brachte die Beklagte "Änderungen des Preis- und Leistungsverzeichnisses, Entgeltinformationen, Änderung der Sonderbedingungen und aktuelle Datenschutzhinweise zum 01. August 2020" in den Verkehr. Diese nutzt die Beklagte bei Kontoeröffnungen ab diesem Zeitpunkt. Eine Einbeziehung in Bestandsverträge erfolgt nur nach Unterzeichnung einer Zusatzvereinbarung.
Im Streit stehen folgende Klauseln:
((Abbildung))
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 06.11.2020 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Im Übrigen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage mit dem am 28.10.2021 verkündeten und am 03.11.2021 zugestellten Urteil vollumfänglich stattgegeben. Im Einzelnen ist es den Argumenten des Klägers gefolgt und hat alle streitgegenständlichen Klauseln als Preisnebenabreden qualifiziert. Bei Giroverträgen sei eine Verwahrung immanent und stelle deshalb keine Hauptleistungspflicht dar. Durch das Verwahrentgelt werde zudem von dem wesentlichen Grundgedanken des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB abgewichen, auf welchen § 700 Abs. 1 S. 1 BGB verweise. Gleiches treffe auf die Sichteinlagen bei Tagesgeldkonten zu.
Hinsichtlich der Kosten für die Ausstellung einer Ersatzkarte/Ersatz-PIN sei die Klausel nicht hinreichend transparent, da das Verhältnis zu den gesetzlichen Regelungen § 675l Abs. 1 S. 3 BGB und § 675k Abs. 2 S. 5 BGB nicht klar sei.
Seit dem 25.07.2022 erhebt die Beklagte kein Verwahrentgelt mehr von ihren Kunden.
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