Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einem Fahrzeugführer eines Elektrokleinstfahrzeugs (hier sog. Elektroscooters) ist davon auszugehen, dass er ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,10 ‰ (absolut) fahruntauglich im Sinne von §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 316 Abs. 1 StGB ist.
2. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist dem Tatgericht ein weites Ermessen eingeräumt. Aufwendungen für die Berufsausbildung können, müssen aber nicht zwingend berücksichtigt werden.
Normenkette
StGB § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), § 316 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 22.03.2021; Aktenzeichen (302 Ds) 3041 Js 6133/20 (40/20)) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. März 2021 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht T. hat den Angeklagten durch Urteil vom 22. März 2021 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50,- Euro verurteilt und ein sechsmonatiges Fahrverbot angeordnet, das als durch die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis verbüßt gilt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte, der ein monatliches Kurzarbeitergeld von 1.500,- bis 1.900,- Euro bezieht, am 6. Juni 2020 gegen 00:40 Uhr mit einem mit Versicherungskennzeichen versehenen E-Scooter des Anbieters "Lime Bike", dessen Elektromotor eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h ermöglicht, in Berlin den an der Ebertstraße gelegenen Fußgängerüberweg bei Rot abstrahlender Lichtzeichenanlage und setzte seine Fahrt auf der Straße des 17. Juni fort, wobei er in "Slalomfahrt" wechselweise den linken und mittleren Fahrstreifen benutzte. Eine dem Angeklagten um 02:00 Uhr entnommene Blutprobe enthielt eine Alkoholkonzentration von 1,35 ‰.
Der Führerschein des Angeklagten ist am 7. Juni 2020 sichergestellt und seine Fahrerlaubnis durch Beschluss des Amtsgerichts vom 23. Juni 2020 nach § 111a StPO vorläufig entzogen worden.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts wendet sich der Angeklagte mit seiner (Sprung-) Revision. Er erhebt die Sachrüge und beanstandet, das Amtsgericht habe zu Unrecht die von der Rechtsprechung für Fahrten mit Kraftfahrzeugen entwickelte Beweiserleichterung angewandt und allein von der Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 1,10 ‰ auf die (absolute) Fahruntauglichkeit des Angeklagten zurückgeschlossen. Auf E-Scooter sei diese Beweiserleichterung nicht anwendbar. Zudem seien die Feststellungen des Amtsgerichts zur Beschaffenheit des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs unzureichend. Darüber hinaus rügt der Angeklagte die festgesetzte Tagessatzhöhe als zu hoch.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Revisionsvorbringens wird auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 20. Mai 2021 Bezug genommen.
II.
Die nach § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (Sprung-) Revision hat in der Sache keinen Erfolg, denn das Amtsgericht hat den Angeklagten zu Recht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB verurteilt.
1. Die getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte fahrlässig im öffentlichen Straßenverkehr (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 46. Aufl., § 316 StGB Rdn. 2; Pegel in MüKo-StGB 3. Aufl., § 316 Rdn. 4, § 315c Rdn. 5 ff.) ein Elektrokleinstfahrzeug und damit ein Fahrzeug im Zustand der (absoluten) Fahruntauglichkeit bei einer 100 Minuten nach Fahrtende gemessenen Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,35 ‰ geführt hat.
a) Aus den Urteilsgründen geht (noch) mit der erforderlichen Klarheit hervor, dass der Angeklagte einen als Elektrokleinstfahrzeug ohne Sitz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 erster Fall Elektrokleinstfahrzeugeverordnung (eKFV) einzuordnenden sogenannten E-Scooter führte. Unter die eKFV fallen nach § 1 Abs. 1 Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h, die die folgenden Merkmale aufweisen:
1. Fahrzeug ohne Sitz oder selbstbalancierendes Fahrzeug mit oder ohne Sitz,
2. eine Lenk- oder Haltestange von mindestens 500 mm für Kraftfahrzeuge mit Sitz und von mindestens 700 mm für Kraftfahrzeuge ohne Sitz,
3. eine Nenndauerleistung von nicht mehr als 500 Watt, oder von nicht mehr als 1400 Watt, wenn mindestens 60 Prozent der Leistung zur Selbstbalancierung verwendet werden,
4. eine Gesamtbreite von nicht mehr als 700 mm, eine Gesamthöhe von nicht mehr als 1400 mm und eine Gesamtlänge von nicht mehr als 2000 mm und
5. eine maximale Fahrzeugmasse ohne Fahrer von nicht mehr als 55 kg.
Diese Anforderungen erfüllt das vom Angeklagte geführte Fahrzeug. Die in den getroffenen Feststellungen verwendete (untechnische) Sammelbezeichnung E-Scooter (des Herstellers Lime Bike), die Angaben zum - offenkundig nach Maßgabe von §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 eKFV, 29a Abs. 1 FZV, 1 Satz 1 PflichtVG erteilten - Versicherungskennzeichen des E-Scooters, dessen Elektromotorisierung und dessen höchstzulässige Geschwindigkeit von 20 km/h las...