Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.08.2022; Aktenzeichen 97 O 60/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 10. August 2022 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin (jetzt: Landgericht Berlin II) - 97 O 60/22 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Oktober 2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Antragsgegnerin wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letzteres zu vollziehen an einem der Geschäftsführer, untersagt,
Parfumprodukte der Dachmarke L. R. unter Verwendung der Marken B., H. B., C. und/oder E. in Kundenbewertungen als Nachahmungen der entsprechenden Markenparfums zu bewerben oder bewerben zu lassen, wenn das wie folgt geschieht:
((Abbildungen))
2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. 1. Die Berufung ist gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, mit einer Begründung versehen und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Berufung der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg.
2.1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
2.1.1. Es besteht ein Verfügungsgrund, wobei sich die Antragstellerin auf die Dringlichkeitsvermutung des § 140 Abs. 3 MarkenG berufen kann.
2.1.1.1. Nach § 140 Abs. 3 MarkenG (in Verbindung mit Art. 129 Abs. 3 UMV) können einstweilige Verfügungen zur Sicherung der vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfassten Ansprüche ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935, 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt grundsätzlich keine gesonderte Darlegung und Glaubhaftmachung der in §§ 935, 940 ZPO geregelten Dringlichkeitsanforderungen voraus; die Dringlichkeit wird insoweit vermutet (Senat, Urteil vom 2. Juni 2017 - 5 U 196/16 -, Rn. 3, juris, zur gleichlautenden Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG).
2.1.1.2. Die von § 140 Abs. 3 MarkenG vorgesehene Vermutung kann jedoch dadurch widerlegt werden, dass der Verletzte durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gibt, dass die Verfolgung des beanstandeten Verstoßes für ihn selbst nicht eilig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1999 - I ZB 7/99 -, Rn. 11, juris - Späte Urteilsbegründung). Eine solche Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung kommt namentlich bei zögerlicher Verfahrenseinleitung in Betracht. Abzustellen ist insoweit auf die Zeitspanne zwischen der Erlangung der Kenntnis von der Person des Verletzers sowie von den maßgeblichen Umständen der Verletzungshandlung bis zur Einreichung des Verfügungsantrags, wobei es auf die Kenntnis bezüglich des jeweils konkret geltend gemachten Streitgegenstands ankommt (vgl. etwa Senat, Urteil vom 2. Juni 2017 - 5 U 196/16 -, Rn. 4, juris). Ein Zuwarten, das nicht länger als zwei Monate dauert, sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht als dringlichkeitsschädlich an (siehe z. B. Senat, Beschluss vom 1. August 2014 - 5 W 240/14 -, Rn. 9, juris).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe kann sich die Antragstellerin auf die Vermutung des § 140 Abs. 3 MarkenG berufen. Sie hat glaubhaft gemacht (vgl. Anlage AS 29), dass sie am 11. Mai 2022 Kenntnis von den hier streitgegenständlichen Tatsachen erlangt hat. Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht am 08. Juli 2022 eingegangen ist, ist die oben erwähnte Frist gewahrt. Gegenteiliges hat die insoweit darlegungsbelastete Antragsgegnerin nicht dargetan.
2.1.2. Auch gegen die Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) des Antrages bestehen keine Bedenken, da im Antrag Bezug auf die konkrete Verletzungsform genommen wird und der Antrag jedenfalls unter Heranziehung des Antragstellervortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für das Unterlassungsgebot liegen soll (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. November 2018 - I ZR 108/17 -, Rn. 15, juris - Deutschland-Kombi).
2.2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet und die Berufung damit erfolgreich.
2.2.1. Unzutreffend geht das Landgericht davon aus, die Antragstellerin gäbe "die konkrete Verletzungsform" nicht zutreffend wieder, weswegen sie "auf den gestellten Antrag keinen Anspruch" habe.
Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag auf die Äußerungen in den Kundenbewertungen (nachfolgend auch nur: "Bewertungen") Bezug genommen, die sie als rechtsverletzend ansieht. Dies ist ausreichend, denn der - wie hier nicht im Widerspruch zum vorgetragenen Lebenssachverhalt stehende - Unterlassungsantrag braucht nur die zu untersagende Äußerung zu umfassen, der Antrag muss aber (selbstverständlich) nicht alle weiteren Tatsachen enthalten, die zur Begründung der begehrten Untersagung er...