Normenkette
BGB § 99 Abs. 2, §§ 100, 818, 988
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 16.09.2005; Aktenzeichen 8 O 642/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.9.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 8 des LG Berlin - 8 O 642/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 16.9.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 8 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
1. Entgegen der Ansicht des LG habe die Beklagte den Besitz an der Mietfläche Zwieseler Straße 164 in Berlin-Lichtenberg nicht unentgeltlich i.S.v. § 988 BGB erlangt. Sie könne sich als Rechtsnachfolgerin letztlich auf den entgeltlichen Erwerb der Flächen durch das Deutsche Reich, Sondervermögen Deutsche Reichsbahn, Ende des 19. Jahrhunderts berufen. Die Grundstücke hätten vor und nach 1945 gleichermaßen im staatlichen Eigentum gestanden. Die DDR sei - auch wenn sie es nicht habe "hören wollen" - Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches gewesen. Die Anordnung Nr. 54 der Ministerien des Innern und der Finanzen vom 1.10.1950 (nicht: 1960) habe nur zu einer "Umetikettierung" des staatlichen Eigentums geführt, welches nunmehr als "Volkseigentum" bezeichnet worden sei. Eine qualitative Änderung des Eigentums habe darin jedoch, anders als in dem Fall der Überführung von Privateigentum in Volkseigentum (BGH VIZ 2002, 50), nicht gelegen. Lediglich die Verwaltungsbefugnis sei neu geregelt worden.
Der Anwendung des § 988 BGB stehe zudem entgegen, dass die S.-Bau GmbH in dem Zeitraum, in dem sie Mietzins leistete, sowohl Eigentümerin als auch unmittelbare Besitzerin gewesen sei. Eigentum und Besitz fielen somit nicht auseinander, so dass auch Besitzeinräumung von der Beklagten nicht habe verlangt werden können.
2. Jedenfalls sei ein Anspruch auf Rückzahlung entrichteten Mietzinses aus § 988 BGB verjährt. Denn der Anspruch ergebe sich (primär) aus dem abgeschlossenen Mietvertrag, und bei konkurrierenden Ansprüchen mit unterschiedlicher Verjährungsfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens die kürzere Frist maßgeblich.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des LG Berlin vom 16.9.2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger erwidert:
1. Die Deutsche Reichsbahn der DDR als Rechtsvorgängerin der Beklagten habe auf Grund der Anordnung Nr. 54 vom 1.10.1950 unentgeltlich Besitz erlangt. Durch die Begründung von Volkseigentum sei früheres Reichsvermögen unentgeltlich auf Organe und Behörden der DDR übertragen und darüber gegenleistungsfrei "verfügt" worden. Das LG habe zutreffend ausgeführt, dass für die unentgeltliche Besitzerlangung genüge, dass der Besitzende sein Besitzrecht auf eine neue Rechtsgrundlage - hier die Rechtsträgerschaft am Volkseigentum - stellt.
2. Konkurrierende Ansprüche lägen nicht vor, so dass es bei der Verjährungsfrist von 30 Jahren gem. § 195 BGB a.F. für den Rückzahlungsanspruch aus § 988 BGB verbleibe. Dass Mieter und Zuordnungsbegünstigter vorliegend zufällig dieselbe Person sei, führe nicht zu einem vertraglichen Rückzahlungsanspruch.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger steht der erstinstanzlich zugesprochene Anspruch auf Rückzahlung entrichteter Mieten gem. §§ 988, 818, 99 Abs. 3, 100 BGB zu. Die Einrede der Verjährung greift nicht.
1. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits bzw. der Gesamtvollstreckungsschuldnerin S.-Bau GmbH und der Deutschen Reichsbahn als der Parteien des Mietvertrags vom 15.1.1992 bestand von Anfang an ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, welches zur Anwendbarkeit des § 988 BGB führt. Auf Grund der bestandskräftigen Bescheide des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Berlin vom 16.12.2002 steht das Eigentum der S.-Bau GmbH an den in den Bescheiden genannten Flächen für die Parteien und die Zivilgerichte bindend fest. Da die Vermögenszuordnung nur feststellende Wirkung hat, finden im Verhältnis zwischen dem zuordnungsberechtigten Eigentümer und dem bis zur Bestandskraft des Bescheids Verfügungsberechtigten im Falle einer Vermietung der Sache die Regeln über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Anwendung (BGH v. 23.3.2000 - III ZR 217/99, BGHZ 144, 100 ff. =NJW 2000, 2422 [2426]; VIZ 2002, 50 [51]). Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass die S.-Bau GmbH selbst Mieterin und damit unmittelbare Besitzerin war. Denn ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB und damit ein sog. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis besteht auch im Verhältnis des Eigentümers zum mittelbaren Besitzer (Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb....