Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 12.05.2022; Aktenzeichen (578) 231 Js 2702/21 Ns (28/22)) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Mai 2022 wird auf Kosten der Landeskasse Berlin, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, verworfen.
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 9. Dezember 2021 wegen Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hin hat das Landgericht Berlin am 12. Mai 2022 das angefochtene Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision.
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 12. März 2021 um 12.18 Uhr teilte der Angeklagte in B. auf seinem öffentlich einsehbaren Profil der Internet-Plattform Facebook den Post eines Bekannten. Dieser Post beinhaltete das Bild eines gelben Sterns, der in dieser Art in der Zeit des Nationalsozialismus zur Kennzeichnung von Juden verwendet wurde, mit der Inschrift "Nicht geimpft" und der unmittelbar darüber plazierten Überschrift "Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen". Den Post versah der Angeklagte zusätzlich mit dem Kommentar: "Ich bin dabei, einen Judenstern zu basteln und an meine Jacke zu stecken, wenn die indirekte Impfpflicht kommt!"
Der Beitrag wurde bei Facebock von Nutzern sowohl positiv als auch - überwiegend - negativ kommentiert, wobei die negativen Kommentare unter anderem auf die Unverhältnismäßigkeit des Vergleichs mit dem Holocaust und die damit verbundene Verharmlosung desselben hinwiesen.
Der Angeklagte, der jüdische Vorfahren hat, seit 2017 Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V. ist und im Jahr 2015 versuchte, zum Judentum zu konvertieren, wollte mit dem Post auf die Diskriminierung von Ungeimpften und Impfgegnern - wie ihm selbst - hinweisen und sich als Opfer der Coronapolitik der deutschen Bundesregierung darstellen."
3. Das Landgericht hat das festgestellte Verhalten des Angeklagten als nicht strafbar erachtet. Es fehle an der nach § 130 Abs. 3 StGB erforderlichen Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens. Die Instrumentalisierung des "Judensterns" für die Kritik des Angeklagten am Umgang mit Impfgegnern und Ungeimpften begründe keine Störung des öffentlichen Friedens. Selbst offensichtlich anstößige und bewusst provozierende Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die freiheitliche Grundordnung setze darauf, dass diesen nicht mit Verboten begegnet, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten werde. Dies sei hier durch die negativen Kommentierungen des "Posts" des Angeklagten geschehen, der allen Internetnutzern zur offenen und kritischen Auseinandersetzung zugänglich gewesen sein. Auch in der Gesamtschau sei die Äußerung nicht darauf ausgerichtet gewesen, zu Gewalttaten oder sonstigem Rechtsbruch anzustacheln oder die Hemmschwelle zur Begehung rechtsgutsgefährdender Handlungen herabzusetzen. Vielmehr ziele sie mit der Überschrift und der Ankündigung zu "Basteln" darauf, eine ungerechtfertigte und vorschnelle Verurteilung Ungeimpfter und die Coronapolitik der Bundesregierung anzuprangern. Der Beitrag reihe sich in die Reihe der während der Coronapandemie vermehrt festzustellende Beiträge in sozialen Medien ein, durch Holocaustvergleiche höchstmögliche Aufmerksamkeit zu erregen und sich zugleich - völlig unangemessen - als Opfer zu stilisieren. Mit dem Begriff "Menschenjagd" habe sich der Angeklagte nicht auf die Verfolgung von Juden bezogen, sondern auf Ungeimpfte wie ihn selbst, deren Schicksal er demjenigen der Juden während des Nationalsozialismus gleichstelle. Zu einer gewalttätigen oder aufrührerischen Gegenreaktion fordere der Angeklagte gerade nicht auf. Dem "Post" wohne kein Bedrohungspotential inne. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Stimmungslage in der Bevölkerung und der politischen Situation zur Tatzeit, die durch vermehrtes Schüren von rassistischen und antisemitischen Ressentiments, eine zunehmende Polarisierung zwischen Bevölkerungsgruppen wie Geimpften und Ungeimpften und eine Entwicklung sozialer Medien zu einem Hort verbalisierter Hasskriminalität geprägt sei. Es handele sich um eine weitere Äußerung zur Vergiftung des gesellschaftlichen und politischen Klimas, der jedoch keine Unfriedlichkeit innewohne.
4. Die Staatsanwaltschaft ist in ihrer von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vertretenen Revision der Ansicht, das Verhalten des Angeklagten sei zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet, weil es die Hemmschwelle für die Begehung antisemitischer Übergriffe herabsetze und bei Impfgegnern die Bereitschaft erhöhe, gewaltsam gegen die staatlichen Maßnahmen und Andersdenkende vorzugehen. Die Generalstaatsanwaltschaft führt ergänzend an, die Urtei...