Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsatz des Überholvortritts
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1; StVO § 5 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 327/98) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.1.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt 20.592,40 DM.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Im Ergebnis zutreffend hat das LG jede Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 31.8.1996 gegen 17.30 Uhr auf der Bundesstraße B 180, etwa 2 km hinter der Ortsausfahrt F. in Richtung Qu., Landkreis M., verneint (vgl. § 67 VVG i.V.m. §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB, 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVG). Zu der genannten Zeit fuhr der Polizeibeamte und Zeuge R.H. mit dem auf Frau I.V. zugelassenen Personenkraftwagen Trabant die B 180 in Richtung Qu., also in südwestlicher Richtung. Ihm folgte der Beklagte zu 2) mit seinem bei der D.V.-AG – zwischenzeitlich mit der Beklagten zu 1) verschmolzen – gegen Haftpflicht versicherten Personenkraftwagen Toyota. Dahinter folgte der Kraftfahrzeugmechaniker und Zeuge R.N. mit dem bei der Klägerin teil- und vollkaskoversicherten Personenkraftwagen Mercedes Benz C 180 mit dem amtlichen Kennzeichen … der M.D.K.-GmbH. Der Zeuge N. überholte den Beklagten zu 2) und geriet mit dem Mercedes Benz sodann gegen die linke Seite des Personenkraftwagens Trabant. Hiernach kam der Trabant rechts und der Mercedes Benz links von der Fahrbahn ab; beide Fahrzeuge überschlugen sich. Die Klägerin regulierte im Rahmen der Vollkaskoversicherung den Schaden am Mercedes Benz und macht erfolglos einen nach ihrer Ansicht auf sie gem. § 67 VVG übergegangenen Schadensersatzanspruch entsprechend der Abrechnung auf S. 4 der Klageschrift vom 18.6.1998 (Bl. 4) nach einer Quote zu 2/3 geltend. Denn es lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Beklagte zu 2) durch seine Fahrweise schuldhaft dazu beigetragen hat, dass der Zeuge N. die Gewalt über den Mercedes Benz verloren hat und deshalb gegen den Trabant geraten und von der Fahrbahn abgekommen ist.
Weder der Zeuge N. noch der Beklagte zu 2) können für sich in Anspruch nehmen, dass der Unfall für einen der beiden ein unabwendbares Ereignis darstellt (vgl. § 7 Abs. 2 StVG). Denn wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, haben weder die Klägerin noch die Beklagten dargetan oder bewiesen, dass sich der Zeuge N. und der Beklagte zu 2) so sorgfältig verhalten hätten, wie es von einem „Idealfahrer” erwartet werden kann. Deshalb ist eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der beiden Kraftfahrer unter Berücksichtigung der von den Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr geboten (§ 17 Abs. 1 StVG). Hierbei sind neben unstreitigen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu beachten. Dabei erlangen die für einen sog. Unfall ohne Berührung geltenden Grundsätze Bedeutung.
I. Einer Haftung der Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG steht nicht schon entgegen, dass es zu keiner Berührung zwischen den vom Beklagten zu 2) geführten Personenkraftwagen Toyota und dem Fahrzeug Mercedes Benz des Zeugen N. gekommen ist. Denn erforderlich ist für die Haftung, dass der Schaden „bei dem Betrieb” eines Kraftfahrzeuges entstanden ist.
„Bei dem Betrieb” ist ein Schaden bereits dann eingetreten, wenn sich die von einem Fahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben; es muss sich um typische mit dem Betrieb des Fahrzeuges verbundene Gefahren handeln (vgl. BGH VersR 1972, 1074 = NJW 1972, 1808; NJW 1992, 2669; v. 19.4.1988 – VI ZR 96/87, MDR 1988, 850 = NJW 1988, 2802 = DAR 1988, 269; KG VerkMitt 1983, 31 Nr. 37; VerkMitt 1988, 50 Nr. 50). Dabei ist ein bestimmtes Verhalten des in Anspruch Genommenen erforderlich, das bei objektiver Betrachtungsweise geeignet ist, auf den Fahrer des Unfallwagens einzuwirken. Es kommt darauf an, ob in einer konkreten Situation die Gegenwart des Fahrzeuges vom Lenker des unfallgeschädigten Fahrzeuges als gefährlich empfunden werden konnte und dessen Reaktion subjektiv vertretbar erscheint (BGH v. 3.7.1990 – VI ZR 33/90, MDR 1991, 232 = NJW 1990, 2885 f.). In diesen Fällen, in denen es nicht zu einer Berührung zwischen dem Fahrzeug des Geschädigten und dem Wagen des in Anspruch genommenen Kraftfahrers gekommen ist, hat der Geschädigte den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Kraftfahrzeuges und seinem Schaden darzutun und zu beweisen; etwaige Zweifel an der Ursächlichkeit des Betriebsvorganges für den Unfall gehen zu Lasten des Geschädigten (BGH VersR 1969, 58; v. 19.4.1988 – VI ZR 96/87, MDR 1988, 850 = NJW 1988, 2802; st. Rspr. des Senats, KG v. 24.6.1996 – 12 U 3091/95, KGReport Berlin 1996, 211 = VersR 1997, 1291 [1292] = VerkMitt 1997, 3 Nr. 4; VersR 1998, 778 [779]; v. 29.4.1999 – 12 U 1297/98, NZV 2000, 43 [44] = KGReport Berlin 1999, 301 [302] = DAR 1999, 504 LS = VerkMitt 2000, 10 Nr. 10; v. 11.10.1999 – 12 U 2841/98, KGReport Berlin 2000, 316 [317]...