Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Haftpflicht- und Kasko-Versicherung und/oder eines solchen Verstoßes gegen die Obliegenheit, das Fahrzeug bei rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit nicht zu fahren, können nicht schon aufgrund eines positiven Blut-Wirkstoffbefundes festgestellt werden, wenn die Umstände der Einnahme bestimmter Medikamente und des Beginns der Ausfallerscheinungen vor dem Unfall im Regressprozess des Versicherers nicht mehr festgestellt werden können. Die in Anspruch genommenen Erben trifft keine sekundäre Darlegungslast, wenn nicht feststeht, dass sie Kenntnis von einem bestimmten Medikamentenkonsum und einem evtl. Missbrauch hatten.
Normenkette
AKB A. 2.9.1; AKB D. 1.2; VVG §§ 28, 81
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 27.08.2019; Aktenzeichen 45 O 19/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten vom 16. Oktober 2019 wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. August 2019 -Az.: 45 O 19/17- geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen, weil im Hinblick auf den Berufungswert ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der seit 01.01.2020 geltenden Fassung.
II. Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 14. 068,20 EUR zzgl. Zinsen als Rechtsnachfolger des am 23. Mai 2017 verstorbenen vormaligen Beklagten ist gemäß §§ 511 ff ZPO zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg und führt -nachdem die Beklagten der mit Schriftsatz vom 02. März 2020 erklärten Klagerücknahme nicht zugestimmt haben- unter Änderung der angefochtenen Entscheidung zur Abweisung der Klage.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Regressanspruch hinsichtlich der erbrachten Kasko- und Haftpflichtleistungen nicht zu, weil anhand ihres Klagevortrages (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast: OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.10.2014 zu 4 U 165/13, zitiert nach juris, dort Rdz. 64 m.w.N.) nicht festgestellt werden kann, dass der vormalige Beklagte vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 81 VVG/§ 28 Abs. 2 VVG gehandelt hat.
Auf der Grundlage der polizeilich angeordneten Blutuntersuchung steht fest (Untersuchungs-bericht des Dr. N ... Bl. 37 - 40 d.A.), dass sich im Blut des vormaligen Beklagten am Unfalltag um 18:40 Uhr der Wirkstoff Nordazepam, ein Metabolit von Diazepam, und der Wirkstoffs Toxepin (eine Spur) und dessen Metabolit N-Desmethyldoxepin nachweisen ließen und sich im Rahmen der Untersuchung darüber hinaus Hinweise auf das Vorliegen von Diazepam und Oxazepam in der Plasmaprobe ergaben.
Ob und wann der vormalige Beklagte zuletzt vor den Unfallereignissen welche Medikamente eingenommen hatte, ist jedoch nicht bekannt. Dies lässt sich auch nicht mehr aufklären, weil der vormalige Beklagte, dem insoweit eine sekundäre Darlegungslast oblag, die Auflage des Landgerichts vom 11.05.2017, zugegangen beim Beklagten-Vertreter am 22.05.2017, aufgrund seines Ablebens am 23.05.2017 nicht mehr erfüllen konnte.
Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hat, dass die jetzigen Beklagten die Auflage nicht erfüllt haben, hat es unterstellt, dass die sekundäre Darlegungslast nach dem Ableben des vormaligen Beklagten nunmehr die jetzigen Beklagten als seine Rechtsnachfolger trifft. Dem kann jedoch in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Denn eine sekundäre Darlegungslast gründet sich regelmäßig auf eine besondere Kenntnis von den maßgeblichen darzulegenden Umständen. Dass aber die jetzigen Beklagten tatsächlich Kenntnis davon hatten, welche Medikamente der vormalige Beklagte seit welchem Zeitpunkt in welcher Dosierung im Allgemeinen und speziell am Unfalltag eingenommen hatte, ist vom Landgericht nicht aufgeklärt worden. Mit ihrer Berufungsbegründung haben die Beklagten nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass sie keine Kenntnis vom Medikamentenkonsum und einem eventuellen Medikamentenmissbrauch des vormaligen Beklagten gehabt haben, so dass der Feststellung, die Beklagten seien einer ihnen obliegenden Darlegungslast nicht in hinreichendem Maße nachgekommen, der Boden entzogen ist.
Dies zugrunde gelegt fehlt es bereits an ausreichend feststehenden objektiven Umständen, die in ihrer Würdigung die Feststellung tragen könnten, dass der vormalige Beklagte im Sinne eines grob fahrlässigen Verhaltens diejenigen Sorgfaltsanforderungen, die nach der Verkehrsauffassung zur Vermeidung eines Versicherungsfalls zu beachten sind, in einem ungewöhnlich großen Maße verletzt und dabei nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Die Behauptung der Klägerin, wonach er bereits bei Fahrtantritt in Fredersdorf-Vogelsdorf ca. 45 Minuten vor den Unfaller...