Leitsatz (amtlich)
Bleibt der Hergang eines Unfalls letztlich ungeklärt, weil es Anzeichen sowohl für einen typischen Auffahrunfall als auch dafür gibt, dass der Vorausfahrende kurz zuvor den Fahrstreifen gewechselt hat, ist der Schaden hälftig zu teilen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.02.2009; Aktenzeichen 24 O 119/08) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 12.2.2009 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 119/08 - teilweise abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.581,95 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.2.2008 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, einen Betrag i.H.v. 481,95 EUR für Rechnung der Klägerin an das Sachverständigenbüro D. & K., M. S.,... B., zur Rechnungs-Nr ... zu zahlen.
Die Beklagten werden darüber hinaus gesamtschuldnerisch verurteilt, weitere 402,82 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.10.2008 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten 5/13, die Klägerin 8/13 zutragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg; auf die nach durch Beschluss des Senats vom 7.5.2009 gewährte Wiedereinsetzung hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten war das Urteil des LG Berlin insoweit abzuändern, als die Beklagten zur Zahlung an die Klägerin über den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag hinaus verurteilt worden sind. Im Übrigen hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.
a. Zu Unrecht ist das LG in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz von 100 % des ihr bei dem Unfall vom 3.9.2007 in Berlin-Treptow entstandenen Schadens zusteht.
Dabei rügt die Berufung der Beklagten zu Recht, dass die Beweiswürdigung des LG insoweit unvollständig ist, als das LG die Zeugen V. und S. bei der Vernehmung nicht ausdrücklich nach einem Fahrstreifenwechsel der Beklagten zu 1. befragt sondern festgestellt hat, dass die Zeugen zur Fahrweise des Beklagtenfahrzeugs vor und zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes keine Wahrnehmungen und Angaben haben machen können.
b. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges sich bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen.
§ 286 ZPO fordert den Richter auf, den Sachverhalt auf der Grundlage des Parteivorbringens möglichst vollständig aufzuklären (BGH, Urt. v. 26.3.1997 - IV ZR 91/96, NJW 1997, 1988). Er hat die in erheblicher Weise beantragten Beweise erschöpfend zu erheben und sich in der Urteilsbegründung mit dem Prozessstoff und dem Beweisergebnis umfassend und widerspruchsfrei auseinanderzusetzen (BGH, Urt. v. 15.3.2000 - VIII 31/99, NJW 2000, 2024; KG, Urteil vom 12.1.2004 - 12 U 211/02, DAR 2004, 223). Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 286 Rz. 3 und 5 m.w.N.).
Auch wenn der Richter im Rahmen seiner Überzeugungsbildung einer Partei mehr Glauben schenken darf, als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als erwiesen ansehen kann (KG, Urt. v. 3.11.2003 - 22 U 136/03, KGReport Berlin 2004, 38 = MDR 2004, 533), können Widersprüche bei der Beweiswürdigung dazu führen, dass Anlass besteht, von dieser abzuweichen.
Das LG hat in seiner eher kurzen Beweiswürdigung darauf abgestellt, dass durch die Aussage des Zeugen A. bewiesen sei, der Unfall habe sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem unzulässigen Fahrstreifenwechsel der Beklagten zu 1. ereignet. Dabei hat das LG nicht im Einzelnen ausgeführt, weshalb der von ihm angenommene Fahrstreifenwechsel der Beklagten zu 1. unzulässig gewesen sein soll und von welchem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen es hinsichtlich des von dem Zeugen geschilderten Fahrstreifenwechsel bei seiner Beweiswürdigung ausgegangen ist.
Insoweit führt das LG sodann nur aus, die Aussagen der Zeugen V. und S. seien nicht geeignet gewesen, die Angaben des Zeugen A. in Zweifel zu ziehen, weil beide Zeugen zur Fahrweise des Beklagtenfahrzeugs vor und zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes keine Wahrnehmungen und Angaben h...