Leitsatz (amtlich)

Ist nur der Rotlichtverstoß des Geradeausfahrers bewiesen, während nicht festgestellt werden kann, dass der Linksabbieger im Gegenverkehr vor Aufleuchten des grünen Räumpfeils unter Verstoß gegen § 9 Abs. 3 StVO angefahren ist, haftet der Geradeausfahrer allein.

 

Normenkette

StVO § 9 Abs. 3, § 37 Abs. 1, 2 Nr. 1 Sätze 7, 12

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 09.11.2011; Aktenzeichen 43 O 100/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers das am 9.11.2011 verkündete Urteil der Zivilkammer 43 des LG Berlin - 43 O 100/11 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten (Fahrzeugführer und Haftpflichtversicherer), mit der sie die Klageabweisung in vollem Umfang verfolgen, ist begründet. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers, mit der er (nur noch) die Differenz von 1/2 zu 2/3 weiterverfolgt, ist dementsprechend unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten der von dem LG i.H.v. 4.879,57 EUR zugesprochene Schadenersatzanspruch gem. §§ 831, 823 Abs. 1, 249 BGB; §§ 7, 17, 18 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG; § 421 BGB; § 398 BGB wegen des Verkehrsunfalls vom 10.12.2010 an der Einmündung der Olbersstraße in den Tegeler Weg nicht zu, weil der bei dem Kläger angestellte Fahrer, der Zeuge M., den Unfall allein verschuldete und deshalb im Ergebnis der Abwägung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG; §§ 254 BGB, 9 StVG der Kläger den Schaden allein zu tragen hat.

Der Ansatz einer hälftigen Teilung vermag bereits nicht zu überzeugen. Das LG stellt einerseits den Rotlichtverstoß des Taxifahrers des Klägers, der hier geradeaus fuhr, fest, erachtet andererseits das Aufleuchten des grünen Räumpfeils für den im Gegenverkehr mit dem Lkw linksabbiegenden Beklagten zu 1. für nicht bewiesen. Dennoch gelangt es im Ergebnis zu einer hälftigen Mithaftung, die nur bei beiderseits offener Sachlage in Betracht kommen kann, negiert also den festgestellten Rotlichtverstoß. Vorliegend hat es jedoch eine Verletzung des § 9 Abs. 3 StVO auf Beklagtenseite nicht zugrunde gelegt, so dass - wie die Beklagten zu Recht geltend machen - allenfalls die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1. geführten Fahrzeuges gegen das Verschulden des Fahrers des Klägers sowie die Betriebsgefahr des Taxis abzuwägen gewesen wäre. Die grundsätzlich vom LG zutreffend erörterte Verteilung der Haftungsanteile (Urteilsabschrift S. 4 f.), wird ungenau aufgeführt, wenn dort eine hälftige Verteilung lediglich auf die ungeklärte Schaltung des grünen Räumpfeils beschränkt wird, was möglicherweise den gelegentlich verkürzten Leitsätzen der veröffentlichten Entscheidungen geschuldet ist.

Auch im vorliegenden Fall des Unfalls zwischen einem Geradeausfahrer (Fahrer des Klägers) und linksabbiegendem Gegenverkehr (Beklagtem zu 1.) gilt, dass bei der Abwägung der Mitverursachungs- bzw. Mitverschuldensanteile nach §§ 17, 9 StVG, 254 BGB nur unstreitige, zugestandene oder bewiesene Tatsachen zugrunde zu legen sind (vgl. BGH mit Urt. v. 13.2.1996 - VI ZR 126/95 -NJW 1996, 1405, 1406 [II.1. a)] = NZV 1996, 231; BGH mit Urt. v. 27.6.2000 - VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069 [3071; II. 2. b)]; BGH mit Urt. v. 1.12.2009 - VI ZR 221/08, NJW-RR 2010, 839 [Rz. 13]; KG mit Urt. v. 7.2.1991 - 12 U 7341/89, NZV 1991, 271 [271 f.]; KG mit Beschl. v. 15.1.2007 - 12 U 205/06, NZV 2007, 524 [525; 1. b)]; OLG Köln mit Urt. v. 16.3.1995 - 1 U 89/94, NZV 1995, 400; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 9 StVG Rz. 25 und § 17 StVG Rz. 5 und Rz. 31) und die Parteien im Bestreitensfall jeweils die Mitverursachung sowie das Verschulden der Gegenseite zu beweisen haben. So hat der Geradeausfahrer zu beweisen, dass der grüne Räumpfeil (§ 37 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 S. 12 StVO) nicht aufleuchtete und daher ein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 StVO vorliegt (vgl. BGH mit Urt. v. 13.2.1995 - VI ZR 126/95, NJW 1996, 1405, 1406 f. [II.1. d)] = NZV 1996, 231), während der Linksabbieger den Rotlichtverstoß des Geradeausfahrers (§ 37 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO) zu beweisen hat. Deswegen kommt eine hälftige Schadensteilung nur dann in Betracht, wenn sowohl ein Rotlichtverstoß des Geradeausfahrers als auch das Fahren vor Aufleuchten des grünen Räumpfeils für den entgegenkommenden Linksabbieger offen bleiben, also die Ampelschaltung für beide Beteiligte jeweils nicht festzustellen ist (vgl. KG mit Urt. v. 10.5.1999 - 12 U 9612/97, NZV 1999, 512 [dort mit falschem Aktenzeichen:/98]; BGH mit Urt. v. 13.2.1996 - VI ZR 126/95 -NJW 1996, 1405, 1406 [II.1. d)bb), ltz. Abs.] = NZV 1996, 231; BGH mit Urt. v. 6.5.1997 - VI ZR 150/96, NJW-RR 1997, 1111; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenv...

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