Leitsatz (amtlich)
›1. Das Verschulden des Fußgängers, der die Fahrbahn zum Mittelstreifen hin überschreitet, ohne nach links auf sich nähernde Kraftfahrzeuge zu achten, und das Verschulden des Kraftfahrers, der freie Sicht auf diesen Fußgänger hat, wiegen gleich schwer, wenn es zum Unfall kommt. Dies hat zur Folge, dass dem Fußgänger unter Berücksichtigung der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr der materielle Schaden in der Regel nach einer Quote zu 2/3 und der immaterielle Schaden unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens auszugleichen ist.
2. Wegen Schädelhirntraumas 1. Grades, mehreren Kopfplatzwunden, komplizierten Schienbeinbruches links mit Ausriss des vorderen Kreuzbandes, Rippenserienfraktur der Rippen 6-10 rechts, Fraktur des Os sacrum rechts, Sprengung der Kreuzbein-Dammbeinfugen beidseits, kleineren Absprengungen am hinteren Pfannenring links und Fraktur des vorderen Beckenrings, (abgeklungenem) kleinen Hämatoms im Schädel links, rund 2 Monate stationärer Behandlung und 7 Wochen Behandlung in einer Reha-Klinik und einer MdE von 25% auf Dauer kommt bei hälftigem Mitverschulden der im Berufsleben stehenden Fußgängerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 DM [EUR 15000] - nebst so genannten immateriellem Vorbehalt - in Betracht.‹
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 10.09.1997; Aktenzeichen 24 O 172/95) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 10. September 1997 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 30.000,00 DM nebst 4 % Zinsen auf 10.000,00 DM seit dem 1. Oktober 1994 und von weiteren 20.000,00 DM seit dem 1. Mai 1995 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die künftigen immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 30. November 1993 auf der Bismarckstraße/Ecke Leibnizstraße in Berlin-Charlottenburg unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens zu ersetzen.
Ferner wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 30. November 1993 auf der Bismarckstraße/Ecke Leibnizstraße in Berlin-Charlottenburg nach einer Quote zu 2/3 zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Klägerin 2/5 und die Beklagten 3/5 zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin 4/5 und den Beklagten 1/5 zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine Partei 60.000,00 DM.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als die Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 DM zu zahlen und den materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 30. November 1993 nach einer Quote zu 2/3 zu ersetzen haben. Im Übrigen ist ihr Rechtsmittel unbegründet; mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagten den - künftigen - immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der. Klägerin zu 1/2 zu ersetzen haben. Aus folgenden Gründen:
1. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte zu 1. mit dem von ihm geleasten und bei der Beklagten zu 2. gegen Haftpflicht versicherten Personenkraftwagen BMW mit dem amtlichen Kennzeichen ... die Verletzung der Klägerin als Fußgängerin am 30. November 1993 gegen 16.00 Uhr schuldhaft verursacht hat. Damals überschritt die Klägerin ausweislich der in den Akten 298 Cs 577/94 des Amtsgerichts Tiergarten (künftig: BA) befindlichen polizeilichen Verkehrsunfallskizze (in Hülle Bl. 4 der BA) die nördliche Richtungsfahrbahn der Bismarckstraße in Berlin-Charlottenburg in Höhe des Grundstücks Nr. 16 in südlicher Richtung, um zu ihrem auf dem Mittelstreifen abgestellten Personenkraftwagen zu gelangen. Der Beklagte zu 1. fuhr zu Beginn der Grünphase von der östlichen Haltelinie der nördlichen Richtungsfahrbahn der Bismarckstraße an der Kreuzung, die diese Straße mit der Leibnizstraße bildet, an und geriet mit dem Personenkraftwagen BMW auf dem - von rechts gezählt - vierten von fünf vorhandenen Fahrstreifen gegen die Klägerin.
a) Die Beklagten greifen die Entscheidung des Landgerichts, dass die Haftung nach einer Quote zu 1/2 gegeben sei, nicht an und machen damit nicht mehr geltend, dass der Unfall für den Beklagten zu 1. unabwendbar gewesen sei (vgl. § 7 Abs. 2 StVG). Damit ergibt sich die Haftung des Beklagten zu 1. für materielle Schäden der Klägerin aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB und für immaterielle Schäden aus §§ 823, 847 Abs. 1 BGB, während die Beklagte zu 2. im Umfang der Haftung des Beklagten zu 1. gemäß § 3 Nr. 1 und Nr. 2 Pflichtversicherungsgesetz für die Schäden gesamtschuldnerisch einzustehen hat. Im Streit steht im Berufungsverfahren nur noch das Ausmaß des ...