Leitsatz (amtlich)
Gegen den Ein- oder Aussteigenden spricht der Beweis des ersten Anscheins, die gem. § 14 StVO erforderliche besondere Sorgfalt nicht beachtet zu haben.
Der Kraftfahrer, der an einem stehenden Müllfahrzeug links vorbeifahren will, muss damit rechnen, dass der Müllwerker, der auf der linken Seite des Müllfahrzeugs in Richtung Fahrerhaus geht, die Fahrertür zum Einsteigen öffnen wird, und darf daher nicht nur einen Seitenabstand von maximal 90 cm einhalten.
Kollidiert der links vorbeifahrende Kraftfahrer in einer solchen Situation mit der sorgfaltswidrig geöffneten Fahrertür, kommt eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Halters des Müllfahrzeugs in Betracht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.03.2004; Aktenzeichen 24 O 320/03) |
Tenor
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das am 15.3.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 1/3 und die Beklagten 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässigen Berufungen der Beklagten und des Klägers haben in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils. Im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien in der Berufung weist es ergänzend auf folgendes hin:
a) Berufung der Beklagten
Soweit die Beklagten ihre Berufung darauf stützen, das LG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass an dem vom Beklagten zu 1) geführten Müllfahrzeug zum Unfallzeitpunkt die Rundumleuchte in Betrieb gewesen sei und die Fahrbahn des Falkentaler Steig wegen eines auf der gegenüberliegenden Straßenseite ordnungswidrig geparkten Fahrzeugs eingeschränkt gewesen sei, so dass die verbliebene Fahrbahnbreite nur noch 3 m betragen habe, verhilft dies der Berufung schon deshalb nicht zum Erfolg, weil der entsprechende Vortrag vom Kläger bestritten wurde und die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis nicht erbracht haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht das Urteil des LG auch nicht im Widerspruch zu der von den Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Hamm (OLG Hamm v. 11.11.1987 - 3 U 328/86, NJW-RR 1988, 866). Wie das OLG Hamm in der zitierten Entscheidung ist auch das LG davon ausgegangen, dass beim Passieren eines haltenden Müllfahrzeuges grundsätzlich erhöhte Sorgfalt geboten ist. Hinsichtlich der Haftungsabwägung im Einzelnen sind die Entscheidungen jedoch nicht miteinander vergleichbar. Dem vom OLG Hamm entschiedenen Sachverhalt lag ein Unfall zwischen einem Pkw-Fahrer und einem Müllwerker zu Grunde, während im vorliegenden Fall über einen Unfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen zu entscheiden ist. Dabei hat das LG zutreffend ausgeführt, dass gegen den Beklagten zu 1) der Beweis des ersten Anscheins spricht, die gem. § 14 StVO erforderliche besondere Sorgfalt beim Ein- und Aussteigen nicht beachtet zu haben. Wenn der Beklagte zu 1), wie er behauptet, vor dem Öffnen der Fahrertür nach rechts geschaut hätte, also in diejenige Richtung, aus der sich der Kläger mit seinem Kraftfahrzeug näherte, hätte er diesen bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt schlechterdings nicht übersehen können. Er hätte dann mit dem Öffnen der Fahrertür solange zuwarten müssen, bis der Kläger das Müllfahrzeug passiert hatte. Diese Pflicht hatte er verletzt.
b) Berufung des Klägers
Auch die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zutreffend hat das LG in dem angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass ein Kraftfahrer, der an einem Müllfahrzeug vorbeifahren will, hierbei höhere Sorgfaltsanforderungen zu beachten hat, als beim Passieren eines am Fahrbahnrand geparkten Pkw (KG DAR 1976, 268 ff.; OLG Hamm v. 11.11.1987 - 3 U 328/86, NJW-RR 1988, 866 [867]). Da der Beklagte zu 1) zu dem Zeitpunkt, als der Kläger dazu ansetzte, an dem Müllfahrzeug vorbeizufahren, auf der linken Fahrzeugseite in Richtung des Fahrerhauses ging, hätte der Kläger damit rechnen müssen, dass der Beklagte in das Fahrzeug einsteigen und dazu die Tür öffnen würde. Unter diesen Umständen war ein seitlicher Abstand von maximal 90 cm nicht ausreichend (KG VerkMitt 1985, 76 ff.).
Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile ist die vom LG zugrundegelegte Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten nicht zu beanstanden.
2. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1305027 |
DAR 2005, 217 |
VRS 2005, 24 |
VersR 2005, 1447 |
FuBW 2005, 894 |
OLGR-Ost 2005, 177 |