Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei Überschreiten des Grenzwertes der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung genügen zur Feststellung einer HWS-Distorsion subjektive Beschwerden wie Kopf-, Nackenschmerzen oder Spannungsgefühl für sich nicht, weil insoweit lediglich ein zeitlicher Zusammenhang herzustellen wäre, sie nicht verletzungstypisch und daher ohne besondere Aussagekraft sind.

2. Die Ladung bzw. Anhörung (von Amts wegen) eines Privat-Sachverständigen durch das Gericht, kommt nicht in Betracht. Das Gericht ist insoweit nur verpflichtet, der Partei bzw. in Anwaltsprozessen ihrem Rechtsanwalt die Gelegenheit zu geben, den vom Gericht beauftragten Sachverständigen in Anwesenheit ihres (Privat-) Sachverständigen anzuhören, damit die Partei sich fachlich beraten lassen kann.

3. Zur Darlegung des Haushaltsführungsschadens genügt nicht die Angabe von Tabellenwerten. Es ist der vor dem Unfall im Haushalt tatsächlich geleistete Aufwand konkret unter Beweisantritt darzulegen, weil es sich nicht um einen abstrakt ersatzfähigen Schaden handelt, der von der tatsächlich ausgefallenen Haushaltstätigkeit losgelöst wäre. Lediglich zur Höhe kann der Schaden fiktiv auf der Grundlage des Nettogehalts einer Ersatzkraft berechnet werden.

 

Normenkette

BGB §§ 823 ff.; StVG §§ 7 ff.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 08.02.2011; Aktenzeichen 24 O 538/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.2.2011 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 538/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil sowie - im Umfang der Zurückweisung der Berufung - das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % Sicherheit leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt - bei dem Grunde nach unstreitiger Haftung - von dem Beklagten zu 1. als Unfallverursacher und von der Beklagten zu 2. als dessen Haftpflichtversicherer Schadenersatz und Schmerzensgeld - in zweiter Instanz zuletzt mindestens weitere 80.000 EUR - wegen des Verkehrsunfalls am ... Januar 2003, einem Freitag, gegen ...Uhr in der Spanischen Allee in Berlin. Der Beklagte zu 1. missachtete bzw. übersah unstreitig die für ihn rot abstrahlende Ampel und fuhr mit dem von ihm geführten VW Passat mit dessen linker Front gegen das von der Autobahnausfahrt (Spanische Allee West) einfahrende Taxi (Mercedes C Kombi) in Höhe dessen linker hinterer Tür. Die Klägerin saß als Fahrgast auf dem stoßabgewandten rechten hinteren Platz, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sie angeschnallt war und ihr bereits am Unfallort eine Halskrause angelegt wurde, während unstreitig ist, dass die Kopfstütze im Taxi gefehlt haben soll. Der Taxifahrer gab gegenüber der Polizei unter dem 4.2.2003 zu den bei ihm eingetretenen Folgen eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 1.2.2003 an sowie dass keine Dauerfolgen verblieben seien (Beiakte: 138 PLS 1004/03 VE Amtsanwaltschaft Berlin, Bl. 12-14).

Im Erste-Hilfe-Bericht des Ev. Krankenhaus H.vom ...Januar 2003, ...Uhr, sind nach Untersuchung der Klägerin als Diagnosen ein HWS-Schleudertrauma sowie eine (linksseitige) Schürfwunde am Nasenrücken aufgeführt.

Am 27.1.2003 (Montag) begab die Klägerin sich zur praktischen Ärztin F., die sie am 6.2.2003 an den Neurochirurgen Dr. R.überwies. Dort begann die Behandlung am 13.2.2003.

Die Krankenkasse der Klägerin bescheinigte mit Schreiben vom 22.7.2004 Arbeitsunfähigkeitszeiten wie folgt:

Vom 27.06.00 - 08.04.01

akute Bronchitis, Radikulopathie, Tendinitis der Achillessehne, sonst. näher bez. Gelenkschädigungen, sonst. näher bez. Muskelkrankheiten, akute Laryngitis und Tracheitis, akute Sinusitis maxillaris, rezidiv. depress. Störung.

Ab 01.01.01 Tracheomalazie und chronobstr. Bronchitis.

Vom 25.01.03 - 11.05.03

Verstauchung u. Zerrung der Halswirbelsäule

Oberflächl. Verletzung an einer n. n. bez. Körperregion

Vom 24.06.03 - 01.07.03

Tendinitis der Achillessehne

Vom 22.09.03 - 07.05.04

Lumboischialgie

Verstauchung u. Zerrung der Halswirbelsäule

sonst. näher bez. Krankheiten der oberen Atemwege

sonst. näher bez. chron. obstr. Lungenkrankheit

Tendinitis der Achillessehne

Zervikaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie

Vom 27.05.04 - 20.06.04

Sodbrennen

Hierzu hat die Klägerin auf die Auflage des Senats mit Beschluss vom 26.1.2012, zu I.1. zu ihren Vorerkrankungen in den Jahren 2000 und 2001 näher vorzutragen und Ablichtungen der ärztlichen Dokumentationen einzureichen (Bd. VII Bl. 28), nach Ablauf der gesetzten Frist lediglich mit Schriftsatz vom 7.6.2012 erklärt, aus dem Auszug der Leistungssachbearbeitung vom 26.1.2012 sowie der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 26.10.1992 ergäbe sich, dass es sich bei den genannten Gelenkschädigungen und Muskelerkrankungen nur um die Verstauchung des linken Fußgelenks handele.

Die Klägerin bezieht seit dem 1.6...

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