Normenkette
EUV 2016/679 Art. 6 Abs. 1 Buchst. f., Art. 17 Abs. 1 Buchst. a, d, Art. 40; InsoBekV § 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.03.2021; Aktenzeichen 95a O 52/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 22.03.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 95a O 52/20 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22.03.2021 - 95a O 52/20 - ist fortan ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, die als Wirtschaftsauskunftei tätig ist, u.a. die Löschung eines ihn betreffenden Eintrags im Zusammenhang mit der Erteilung einer Restschuldbefreiung sowie dessen erneute Eintragung und Speicherung zu unterlassen.
Wegen der Einzelheiten des unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der geltend gemachte Löschungsanspruch stehe dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Voraussetzungen für einen Löschungsanspruch gemäß Art. 17 DS-GVO seien nicht erfüllt. Nach Art. 17 DS-GVO habe die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, sofern einer der in Art. 17 Abs. 1 lit. a) bis f) DS-GVO aufgeführten Gründe zuträfe. Die Voraussetzungen hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten Löschungsgründe gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a) und d) DS-GVO seien jedoch nicht gegeben. Die Verarbeitung der Daten über die Restschuldbefreiung, die von der Beklagten zutreffend in Übereinstimmung mit den Insolvenzbekanntmachungen gespeichert worden seien, erfolge rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO. Die streitgegenständliche Datenverarbeitung durch die Beklagte sei nach dieser Vorschrift rechtmäßig, weil nach der danach vorzunehmenden Interessenabwägung ein überwiegendes Interesse der Beklagten und ihrer Vertragspartner bestehe. Das berechtigte Interesse der Beklagten bzw. der Dritten (Kreditwirtschaft) bestehe u.a. daran, die Kreditwirtschaft vor Verlusten im Kreditgeschäft mit natürlichen Personen zu schützen und damit auch zugleich Kreditinteressenten vor einer etwaigen Überschuldung zu bewahren. Das Interesse der Beklagten bestehe zudem darin, ihren Vertragspartnern wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen, wenn diese vermögensrelevante Geschäfte mit einem Verbraucher abschließen möchten. Diese Informationen seien erforderlich, um die Informationsdisparität zwischen den Vertragspartnern der Beklagten einerseits und den Verbrauchern andererseits auszugleichen. Für die Vertragspartnern der Beklagten sei es im Rahmen der Bonitätsprüfung nicht zu erfahren, ob bei einem Verbraucher, der eine Insolvenz durchlaufen habe, die erneute Gefahr einer Insolvenz bestehe. Für die dahingehende Gefahrenprognose können die Erteilung der Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz sein. Demgegenüber steht das Interesse des Klägers, wieder unbeschwert am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers habe er aber keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit Personen, die kein Insolvenzverfahren durchlaufen hätten. Dies gelte insbesondere, wenn - wie hier - unstreitig im Zeitpunkt der Restschuldbefreiung noch Forderung in Höhe von über 51.000,00 EUR offen gewesen seien. Die Daten zur Restschuldbefreiung des Klägers würden durch die Beklagte genau drei Jahre nach der Eintragung gelöscht werden, was durch die Verhaltensregeln (Code of Conduct (CoC)) verbindlich festgelegt worden sei. Diese Länge der Friststelle auch unter dem Gesichtspunkt der Abweichung zu der sechsmonatigen Speicherfrist des § 3 InsoBekV (Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet) für Bekanntmachungen gemäß § 9 InsO keine unangemessene Benachteiligung der Interessen des Klägers dar. Die kürzeren gesetzlichen Fristen seien insbesondere vor dem Hintergrund einer deutlich höheren Eingriffsintensität zu sehen. Denn die Einsicht in die Insolvenz-Bekanntmachungen sei für jedermann kostenfrei und ohne größeren Aufwand durch Internetabruf möglich, während eine Auskunftserteilung der Beklagten an Dritte nur bei Darlegung eines berechtigten Interesses und zudem gegen Entgelt erfolge. Im Übrigen sei auch mit der Reform des Privatinsolvenzrechts im Rahmen des Gesetzgebungsvorhaben betreffend das "Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Geno...