Leitsatz (amtlich)
Der Schädiger haftet grundsätzlich für alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte durch die Schädigungshandlung erleidet, gleich ob körperlicher oder seelischer Art (hier: schizophrener Zustand mit Wahnsymptomatik), auch für das unfallbedingte Zutagetreten vorhandener Schadensanlagen.
Für den Beweis psychischer Folgewirkungen eines Unfalls mit unstreitigem Körperschaden gilt der Maßstab des § 287 ZPO, so dass der Beweis einer überwiegenden oder erheblichen Wahrscheinlichkeit genügt.
Im diesem Bereich muss der Schädiger nicht für Folgen einstehen, die dadurch entstehen, dass die Schädigungshandlung zu einer Renten- oder Begehrensneurose führt oder dadurch, dass die psychische Reaktion des Verletzten im konkreten Fall wegen ihres groben Missverhältnisses zum ganz geringfügigen Anlass („Bagatelle”) schlechterdings nicht mehr verständlich ist.
Nach § 412 ZPO steht die Einholung eines weiteren Gutachtens im Ermessen des Gerichts und ist nur ausnahmsweise geboten.
Allerdings darf und muss das Gericht, wenn es aus dem Gutachten trotz Ergänzung oder Anhörung des Sachverständigen keine sichere Überzeugung gewinnt, eine neue Begutachtung anordnen, wenn besonders schwierige Fragen zu lösen oder grobe Mängel des vorhandenen Gutachtens nicht zu beseitigen sind, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn das Gutachten in anderer Weise nicht aufklärbare Widersprüche enthält, wenn ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn eine Partei nicht von vornherein widerlegbare Einwendungen, auch mit Hilfe eines Privatgutachters, erhebt (st. Rspr., vgl. BGHZ, 53, 245 [258]; BGH v. 23.11.1995 – VIII ZR 278/94, MDR 1996, 632 = NJW 1996, 730; KG v. 1.10.2001 – 12 U 1918/00, KGReport Berlin 2002, 89; Urt. v. 1.7.2002 – 12 U 8427/00, KGReport Berlin 2003, 157 = NZV 2003, 282; Urt. v. 17.3.2003 – 12 U 97/01, KGReport Berlin 2003, 204).
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 11.01.2001; Aktenzeichen 17 O 262/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten, die i.Ü. zurückgewiesen wird, wird das am 11.1.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des LG Berlin – 17 O 262/98 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 46.173,16 Euro nebst 4 % Zinsen p.a. hieraus seit dem 23.2.1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger als Gesamtschuldner 50 % sämtlicher noch nicht absehbar berechenbarer materieller Schäden und 50 % sämtlicher zukünftiger materieller Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom 13.9.1993 am L.-platz/L. in Berlin entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind oder übergehen werden.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger als Gesamtschuldner die auf die Schadensersatzleistungen der Beklagten vom Kläger zu zahlende. Einkommenssteuer zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 77 % und die Beklagten 23 % zu tragen.
Von den Kosten des zweiten Rechtszuges haben der Kläger 44 % und die Beklagten 56 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % dieses Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten als Halterin (zu 1), Fahrer (zu 2) und Versicherer (zu 3) des Pkw Audi auf Ersatz von Verdienstausfallschäden in Anspruch, die er infolge eines Zusammenstoßes des Audi mit seinem Leichtkraftrad am 12.9.1993 erlitten haben will. Ferner begehrt er Feststellung einer Haftung der Beklagten für künftige materielle Schäden.
Der Kläger hat vor dem LG beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 133.268,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.2.1999 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn eine monatliche Geldrente in jeweils bezeichneter Höhe, beginnend am 1.3.1999 vierteljährlich im Voraus bis zum 1.7.2018 zu zahlen (wegen der umfangreichen Antragsformulierung wird auf das am 11.1.2001 verkündete Urteil des LG Berlin – 17 O 262/98 – verwiesen);
3. die Beklagten zu 2) und 3) zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtlichen zukünftigen bzw. noch nicht absehbar berechenbaren materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall vom 13.9.1993 am L.-platz/L. in Berlin entstanden ist oder noch entstehen wird, soweit die Ansprüche auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind oder übergehen werden;
5. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm die a...