Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.11.2005; Aktenzeichen 9 O 511/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 15.11.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 9 O 511/05 - geändert:
Die einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 20.10.2005 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(Ohne Tatbestand gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 ZPO).
I. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die Beklagte ein im Wege der einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO zu sichernder Herausgabeanspruch aus § 985 BGB oder nach den Vorschriften über den Besitzschutz (§§ 861 Abs. 1, 1007 Abs. 1 BGB) zusteht. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, Eigentümerin oder (frühere) Besitzerin der Antiquitäten zu sein.
1. Nach der Situs-Regel des Art. 43 Abs. 1 BGB ist auf den Herausgabeanspruch deutsches Sachrecht anzuwenden. Da der Gesetzgeber auf eine eigene Regelung für Kulturgüter ausdrücklich verzichtet hat, kommt eine generelle Abweichung von der Situs-Regel nicht in Betracht (Wendehorst in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Art. 43 EGBGB, RNr. 192 m.w.N.). Eine wesentliche engere Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates (Art. 46 EGBGB) besteht nicht.
2. Staatsvertragliche Regelungen zum internationalen Kulturgüterschutz sind nicht anzuwenden. Das UNIDROIT-Übereinkommen von Rom über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter vom 24.6.1975 sowie das UNESCO-Abkommen über Maßnahmen zur Verhinderung der verbotenen Einfuhr, Ausfuhr und Eigentumsübertragung von Kulturgütern vom 14.11.1970 hat die Bundesrepublik Deutschland nicht gezeichnet. Das zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern ergangene Kulturgüterrückgabegesetz vom 15.10.1998 ist nicht anzuwenden, da die Klägerin nicht Mitgliedsstaat ist.
3. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie Eigentümerin der Antiquitäten ist. Der Nachweis eines Erwerbsgrundes ist ihr nicht gelungen. Ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB ist daher nicht glaubhaft gemacht.
a) Das Eigentum der Klägerin könnte sich aus Art. 6 des ägyptischen Gesetzes Nr. 117/1983 für den Schutz von archäologischen Gegenständen ergeben. Nach dieser Vorschrift sind alle archäologischen Gegenstände als öffentliches Eigentum zu betrachten, mit Ausnahme von "Awqaf" (Anwesen religiöser Stiftungen). Zugunsten der Klägerin unterstellt der Senat, dass diese Eigentumszuordnung aus deutscher Sicht beachtlich ist und ein etwa enteignender Charakter der Vorschrift nicht dem deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) widerspricht (vgl. Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3583). Die Anwendung der Vorschriften des Antiquitätengesetzes setzt nach dem Territorialitätsprinzip voraus, dass die Antiquitäten sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch auf dem Staatsgebiet der Klägerin befunden haben. Dies ist nicht glaubhaft gemacht.
Wurden die Antiquitäten, wie die Beklagte behauptet, bereits vor 1973 aus Ägypten ausgeführt, sind nach dem Vortrag der Klägerin die Vorschriften des Gesetzes Nr. 66 aus dem Jahr 1963 anzuwenden. Dass dessen Vorschriften einen Erwerbstatbestand zugunsten der Klägerin begründen, kann der Senat nicht feststellen. Die Klägerin macht nur geltend, dass der Export der Gegenstände nach den Regelungen des Gesetzes Nr. 66/1963 strafbar gewesen sei, benennt aber keine Erwerbstatbestände, die ihr Eigentum begründen könnten, wie etwa die Anordnung eines Verfalls wegen verbotswidriger Ausfuhr (vgl. Armbrüster, NJW 2001, 3583). Weitere Ermittlungen zum Inhalt des Gesetzes Nr. 66/1963 sind im Rahmen des Verfügungsverfahrens nicht möglich und nicht geboten. Für die Ermittlung ausländischen Rechts gilt § 293 ZPO. Bei der Ermessensprüfung, welche Ermittlungen zum ausländischen Recht in Betracht kommen, ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die besondere Eilbedürftigkeit der Entscheidung zu berücksichtigen. Das Gericht muss sich daher auf die präsenten und kurzfristig erreichbaren Erkenntnisquellen beschränken und beurteilen, ob nach dem so ermittelten ausländischen Recht das Bestehen des Arrest- oder Verfügungsanspruchs überwiegend wahrscheinlich ist (Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 293 ZPO, RNr. 12). Hier sind weitere Ermittlungen nicht geboten, da die Klägerin das von ihr selbst gesetzte Recht am besten kennt.
Der Argumentation des LG auf S. 10 des angefochtenen Urteils folgt der Senat nicht. Zugunsten der Klägerin kann insoweit unterstellt werden, dass die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat, die Antiquitäten legal aus dem Staatsgebiet der Klägerin ausgeführt zu haben. Allein dieser Umstand ließe den Schluss auf das Eigentum der Klägerin nicht zu.
b) Die Ausfuhr der Sarkophage sowie der Grabbeigaben nach dem Inkrafttreten des Antiquitätengesetzes ist nicht glaubhaft gemacht. ...