Leitsatz (amtlich)

1. Ein nicht genehmigtes Zitat kann nur dann als urheberrechtliche Verwertung untersagt werden, wenn die zitierten Werkteile als solche Werkqualität haben.

2. Bei großer Gebrauchsnähe der Werke darf die Zitierfreiheit nur mit größter Rücksicht ausgeübt werden.

3. Die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gebietet keine Ausdehnung der Zitierfreiheit, wenn das Zitat nicht mehr als Beleg fremder Meinungen dienen soll.

4. Das Voranstellen eines Zitats als Motto des Sprachwerkes genügt in der Regel dem Zitatzweck des § 51 Nr. 2 UrhG.

5. Sollen die Zitate nur aus sich heraus sprechen und damit dem Autor eine – mögliche – eigene Formulierung und Wertung ersparen und sollen die Zitate nur den Text auflockern und Authentizität übernehmen, ohne dass die konkrete Wortwahl des Zitats erkennbare Bedeutung für das zitierende Werk hat, hält sich dies regelmäßig nicht mehr innerhalb der Zitierfreiheit des § 51 Nr. 2 UrhG.

 

Normenkette

UrhG § 51 Nr. 2; GG Art. 5 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 16 O 172/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin und die Anschlussberufung des Antragstellers wird das am 22.5.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin – 16 O 172/01 – teilweise abgeändert:

a) In Ziff. 1 des Tenors entfällt nach der Wendung „wenn und soweit darin nachfolgend wörtlich” die Wendung „oder sinngemäß”.

b) Weiterhin entfallen in Ziff. 1 des Tenors die folgenden Wendungen:

aa) „S. 186/5 … verwässert.”

bb) „S. 150/152 f./193 … ich!”

cc) „S. 183/200 … spät.”

dd) „S. 118/202 … weitergehen?”

ee) „S. 47/266 … Feigheit!”

ff) „S. 230/268 … Religion.”

gg) „S. 33/283 … protestiert”

hh) „S. 122 f./157 … Menschheit.”

ii) „S. 46/170 … hingeraten.”

jj) „S. 216/196 … verloren.”

c) Hinter der Wendung „S. 96/311 … vorbereiten konnte” wird neu eingefügt:

aa) „S. 94f/209. Ich glänze wie (…) ein Luder!”

bb) „S. 255/292 Fest steht (…) in jeder Hinsicht.”

cc) „S. 64/293 Ich bin 44 Jahre (…) noch-meschuggener.”

dd) „S. 252/295 Von tiefster Verlassenheit (…) die Feuerwagen …)”

ee) „S. 278 f. 1299 Manchmal glaube ich … machen?”

2. Die weiter gehende Berufung und Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens haben zu tragen:

I. Instanz: Der Antragsteller 4/5 und die Antragsgegnerin 1/5,

II. Instanz: Der Antragsteller 3/4 und die Antragsgegnerin 1/4.

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist Schriftsteller. Er ist der alleinige Erbe der im Jahre 1977 verstorbenen Schriftstellerin M.W., die mit dem Werk „Guten Morgen, du Schöne!” bekannt wurde. Sie hinterließ u.a. Tagebücher und Briefe. Der Antragsteller brachte in zwei Büchern jeweils eine ausgewählte Sammlung dieser Tagebücher und Briefe heraus, die unter den Titeln „M.W.: Leben wär eine prima Alternative” (1979) und „M.W.: Ein Leben ist nicht genug” (1994) erschienen sind.

Anfang März des Jahres 2001 erschien bei der Antragsgegnerin das Buch der Autorin S.Z. „Das Leben, dieser Augenblick – Die Biografie der M.W”. Dieses enthält Zitate aus den von dem Antragsteller herausgegebenen vorgenannten Werken, von denen der Antragsteller einige genehmigt hatte, die weitaus größere Anzahl aber ohne seine Zustimmung verwendet wurde. Der Antragsteller erfuhr hiervon durch die Übersendung der Druckfahnen (Anl. A 14) seitens der Antragsgegnerin im Januar 2001.

Der Antragsteller, der sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zunächst auch gegen die Veröffentlichung von bislang unveröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen von M.W. und gegen die Wiedergabe diverser Fotografien gewandt hatte, hat erstinstanzlich unter Zurücknahme seines weiter gehenden Antrags die einstweilige Verfügung vom 27.3.2001 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin untersagt worden ist, die von der Autorin S.Z. verfasste Biografie über M.W. mit dem Titel „Das Leben, dieser Augenblick” herzustellen, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen, insbesondere sie zu vervielfältigen und zu verbreiten oder in unkörperlicher Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn und soweit darin nachfolgend wörtlich oder sinngemäß aufgeführte Textstellen enthalten sind:

aus

M.W. Leben wär eine prima Alternative, Tagebücher und Briefe, München 1994, ungekürzte Ausgabe, dtv Nr. 11877, ISBN 3-423-11877-6 (Gegenüberstellung von Buchseite/Seitenangabe nach Druckfahnen Anlage AS 14):

S. 186/5 Ich habe meine Heimat in mir […] verwässert

S. 164/21 Am wohlsten fühle ich mich […] wie einst in Vaters Säckelchen.

S. 130/168 Sind das die mündigen […] hervorbringen wollen?

S. 145 f./88 Eigentlich […] als irgendetwas anderes.

S. 150, 152 f./193 Unsere besten Möglichkeiten […] So eine Mutter bin ich!

S. 124 f./195 Dornen […] stören sie ja schon genug!

S. 183/200 Was mir wirklich fehlt […] Zu spät.

S. 118/202 Wo bin ich […] wird es weitergehen?

S. 111/207 f. Ja, ich weiß es. […] ist sehr klein

S. 94 f./209 Ich glänze wie […] ein Luder!

S. 98 f./209 Man kann traurig sein […] es geht vorbei!

S. 108 f./209 ob es nicht möglich […] als Volksfeind betrachten. A 108/109

S. 21/211 erstes Hingerissensein […) heg...

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