Normenkette

StVO § 4 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 526/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers, die i.Ü. zurückgewiesen wird, wird das Urteil des LG Berlin vom 22.3.2000 – 24 O 526/99 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.157,09 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5.12.1998 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers der Kläger 60 % und die Beklagten zu 2) und 3) 40 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) haben der Kläger 40 % und die Beklagten zu 2) und 3) 60 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat der Kläger zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 76 % und die Beklagten zu 2) und 3) 24 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000 DM.

 

Gründe

A. Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Zwar enthält der innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangene Schriftsatz vom 30.5.2000 keinen förmlichen Berufungsantrag. Ein solcher Antrag ist aber auch nicht erforderlich, solange aus der Berufungsschrift oder Berufungsbegründung zu entnehmen ist, in welchem Umfang das erste Urteil angegriffen wird und welche Abänderungen erstrebt werden (Zöller/Gummer, 22. Aufl., § 519 ZPO Rz. 32 m.w.N.). Hier war der Berufungsbegründungsschrift ohne weiteres zu entnehmen, dass der Kläger sich insoweit gegen das angefochtene Urteil wendet, als darin von seiner hälftigen Mithaftung für die entstandenen Schäden ausgegangen worden ist. Dies reicht aus, um den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO zu genügen (vgl. Zöller/Gummer, 22. Aufl., § 519 ZPO Rz. 32 m.w.N.).

B. In der Sache ist die Berufung nur i.H.v. einem Betrag von 1.256,77 DM begründet. Der Kläger kann von den Beklagten zu 2) und 3) Erstattung von 2/3 derjenigen Schäden beanspruchen, die ihm auf Grund des Verkehrsunfalles vom 13.11.1998 entstanden sind.

1. Der Unfall stellt sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 S. 1 StVG dar, da keine der Parteien mangels einer entsprechenden Beweisführung für sich in Anspruch nehmen kann, dass sich der Kläger bzw. der vormalige Beklagte zu 1) auf ein etwaiges Fehlverhalten des jeweils anderen eingestellt hätten. Somit kommt es gem. § 17 Abs. 1 StVG auf eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile des Klägers und des vormaligen Beklagten zu 1) unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr an. Hierbei sind nach ständiger Rechtsprechung neben unstreitigen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises Anwendung finden.

2. Da der vormalige Beklagte zu 1) mit dem von ihm geführten Lkw auf den Pkw Mazda des Klägers aufgefahren ist, spricht gegen ihn der Beweis des ersten Anscheins, dass er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten, seine Fahrgeschwindigkeit nicht der Verkehrssituation angepasst oder es an der erforderlichen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen (§§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 StVO; vgl. BGH VersR 1969, 859; KG, Urt. v. 9.3.1995 – 12 U 3372/93).

Sofern das Urteil des LG so zu verstehen sein sollte, dass das LG meint, der gegen die Beklagten sprechende Anscheinsbeweis sei im Hinblick auf die vom LG getroffenen Feststellungen, wonach der Kläger sein Fahrzeug entgegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO ohne zwingenden Grund stark abgebremst hat, entkräftet, könnte sich der Senat dem nicht anschließen. Verstößt der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 StVO, so ist dieser Umstand zwar im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 17 StVG zu berücksichtigen, so dass sich der Haftungsanteil des Auffahrenden verringert, doch ändert dies grundsätzlich nichts an dem Vorwurf gegen den Auffahrenden, den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten zu haben, zu schnell gefahren oder unaufmerksam gewesen zu sein (KG, Urt. v. 9.3.1995 – 12 U 3372/93). Im Ergebnis ist hiervon offenbar auch das LG ausgegangen, denn es hat dem Kläger einen – verschuldensabhängigen – Anspruch auf Schmerzensgeld zugesprochen.

3. Der Senat folgt dem LG darin, dass nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass der Kläger den Unfall mitverursacht hat, indem er entgegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO sein Fahrzeug ohne zwingenden Grund stark abgebremst hat (§ 543 Abs. 1 ZPO). Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in der Berufung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

a) Ein zwingender Grund für das vom LG fehlerfrei festgestellte starke Abbremsen des Klägers lag nicht vor. Der Kläger hat selbst geltend gemacht, er habe gebremst, weil er erkannt habe, dass eine Parklücke frei würde. Eine zu spät erkannte Parkmöglichkeit stellt aber keinen zwingenden Grund d...

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