Leitsatz (amtlich)
1. Dem Erbbauberechtigten steht im Hinblick auf die vom Land B. nicht mehr gewährte Anschlussförderung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegen die Erbbaurechtsverpflichtete als eine zu 100 % landeseigene Gesellschaft des Landes B. ein Anspruch auf Anpassung des zu zahlenden Erbbauzinses zu, soweit die Parteien des Erbbaurechtsvertrages die Gewährung einer Anschlussförderung "mitdacht" haben und die sich als Äquivalent darstellenden und im Erbbaurechtsvertrag geregelten Verpflichtungen des Erbbauberechtigten zur Errichtung und Unterhaltung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau über den Zeitraum der 15-jährigen Erstförderung hinausgehen.
2. Die vom Land B. gezahlten Förderbeträge dienten dem Ausgleich einer durch staatliche Mietpreisbindung verursachten Unterdeckung, so dass der Erbbauberechtigte darauf vertrauen konnte, für den von den Parteien des Erbbaurechtsvertrages zugrunde gelegten Förderzeitraum von 30 Jahren nur die sich aus der Förderungsdegression ergebende preisrechtlich zulässige Miete erwirtschaften zu müssen.
3. Ausgangspunkt für die Ermittlung des angemessenen Senkungsbetrages ist nicht die entgangene hypothetische Anschlussförderung, sondern die sich aus dem als Differenz zwischen der tatsächlichen Kostenmiete und der nach Wegfall der förderungsbedingten Mietpreisbindung am Markt tatsächlich erzielbaren Miete ergebende Unterdeckung des Erbbauberechtigten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 04.08.2008; Aktenzeichen 28 O 329/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.8.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 28 O 329/07 - geändert:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2014 jährlich mehr als 27.785,01 EUR an Erbbauzinsen für das Erbbaurecht an dem Grundstück Gemarkung ... Gebäude- und Freifläche ... mit einer grundbuchmäßigen Größe von 7.464 qm - verzeichnet im Erbbaugrundbuch des AG Tempelhof/Kreuzberg von ... - zu entrichten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 74 % und die Beklagte zu 26 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte im Wege einer Feststellungsklage einen Anspruch auf Herabsetzung des vertraglichen Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage geltend.
Mit Erbbaurechtsvertrag vom 21.12.1988 zur UR-Nr. 334/1989 des Notars D. (Anlage 2) bestellte das Land Berlin zugunsten der Klägerin ein Erbbaurecht an dem ... Der Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 4 Abs. 4:
Der Erbbauzins ist auf Verlangen eines Vertragspartners angemessen zu erhöhen oder zu senken
1. bei einer Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse,
2. bei einer Änderung des Grundstückswertes, wenn sie durch zulässige Aufwendungen des Grundstückseigentümers eingetreten ist, oder wenn die Änderung oder die ihr zugrunde liegenden Umstände für den Erbbauberechtigten Vorteile mit sich bringen.
Eine Änderung des Erbbauzinses kann nur verlangt werden, soweit dies unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist.
Die Neufestsetzung ist erstmalig mit Wirkung ab 1.1.1995 und danach im Abstand von jeweils 5 Jahren durchzuführen.
...
Der neu festgesetzte Erbbauzins ist von dem Zeitpunkt an zu zahlen, an dem nach Satz 3 die Änderung des Erbbauzinses verlangt werden konnte.
Diese Verpflichtung übernehmen der Grundstückseigentümer gegenüber dem jeweiligen Erbbauberechtigten und der Erbbauberechtigte gegenüber dem jeweiligen Grundstückseigentümer.
...
§ 5 Abs. 1.:
Der Erbbauberechtigte ist berechtigt und verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück nach den vom Bezirksamt Tempelhof von Berlin, Abteilung Bau- und Wohnungswesen gebilligten Bauplänen der Architekten Hielscher und Mügge vom 13.10.1988 Wohngebäude im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau ... zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten. Er hat bei der Herstellung der baulichen Anlagen neben den Bestimmungen des geltenden Baurechts besonderen Wünschen der Stadtplanung nach einer harmonischen städtebaulichen Gestaltung in angemessener Weise zu entsprechen.
...
Bei der Baudurchführung hat der Erbbauberechtigte ferner die von der Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin (WBK) für das in Abs. 1 genannte Bauvorhaben im Bewilligungsbescheid festgelegten Vorgaben einzuhalten.
Abs. 2.:
Mit der Errichtung der baulichen Anlagen hat der Erbbauberechtigte unverzüglich nach Übergabe des Erbbaugrundstückes zu beginnen. Die baulichen Anlagen sind innerhalb von drei Jahren (bei abschnittsweiser Bebauung längstens innerhalb von fünf Jahren) fertigzustellen und in Betrieb zu nehmen.
Der Erbbauberechtigte ist verpflichtet, dem Grundstüc...