Leitsatz (amtlich)
1. Grundstück im straßenreinigungsrechtlichen Sinne ist das Buchgrundstück.
2. Auch der Teil eines Anliegergrundstückes, der als Privatstraße des öffentlichen Verkehrs genutzt wird, ist gemäß § 7 Absatz 3 Satz 1 StrReinG als für die Berechnung der Straßenreinigungsgebühr maßgebliche Grundstücksfläche heranzuziehen.
3. Die gemäß § 7 StrReinG erhobene Straßenreinigungsgebühr ist ein Benutzungsentgelt für die Nutzung der öffentlichen Einrichtung "Straßenreinigung" und stellt nicht die Gegenleistung für die Reinigung des Straßenabschnitts vor dem jeweiligen Grundstück dar (Anschluss Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 13. Juni 2003 - 161/00 -, Rn. 22, juris).
4. Es stellt keine gegen das Gleichheitsgebot verstoßende, willkürliche Doppelbelastung dar, wenn Eigentümer einer Privatstraße des öffentlichen Verkehrs sowohl zur Reinigung ihrer Privatstraße als auch zur Zahlung eines Entgelts für die Reinigung einer angrenzenden öffentlichen Straße verpflichtet sind.
5. Es bedarf zur Vermeidung einer gegen das Gleichheitsgebot verstoßenden, willkürlichen Doppelbelastung keiner korrigierenden Auslegung von Vorschriften des StrReinG, da der Berliner Gesetzgeber mit der Regelung des § 5 Absatz 3 StrReinG einen Ausgleich für außergewöhnliche Härten geschaffen hat, die sich etwa aus der "sehr formalen Regelung" über die Anlieger- und Hinterliegereigenschaft in § 5 Absatz 1 und 2 StrReinG ergeben könnten.
6. Das beklagte Land kann sich als Gebührenschuldner nicht auf eine unzumutbare Härte im Sinne des § 5 Absatz 3 StrReinG berufen, da die durch Befreiungen nach dieser Vorschrift entstehenden Einnahmeausfälle der Berliner Stadtreinigungsbetriebe ohnehin vom beklagten Land getragen werden (Anschluss VG Berlin, Urteil vom 23. November 2005 - 1 A 216.02 -, Rn. 28, juris).
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 13.11.2020; Aktenzeichen 40 O 92/20) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. November 2020 (40.O.92/20) wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Gemäß § 313 a Absatz 1 in Verbindung mit § 540 Absatz 2 ZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie etwaiger Änderungen oder Ergänzungen abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 14.386,88 Euro nebst Zinsen und Mahnkosten verurteilt. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Straßenreinigungsentgelt für das Grundstück XXX für die Jahre 2016 bis 2019 in der geltend gemachten Höhe zu.
Zu Recht hat die Klägerin bei der Ermittlung der gemäß § 7 Absatz 3 StrReinG für die Berechnung der Straßenreinigungsgebühren maßgeblichen Grundstücksfläche auch den Teil des Anliegergrundstückes des Beklagten berücksichtigt, der - nach dem Vortrag des Beklagten - Privatstraße des öffentlichen Verkehrs ist (a). Der Umstand, dass den Beklagten als Eigentümer der Privatstraße des öffentlichen Verkehrs insoweit auch die Reinigungspflicht aus § 4 Absatz 2 StrReinG trifft, steht dem nicht entgegen (b). Auch das weitere Berufungsvorbringen greift nicht durch (c).
a) Nach den Vorschriften des StrReinG kommt mangels entsprechender Regelung eine Entgeltfreiheit für Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs nicht in Betracht.
aa) § 1 StrReinG normiert die Pflicht zur ordnungsmäßigen Reinigung. Danach sind die öffentlichen Straßen in der Baulast des Landes Berlin und Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs zu reinigen, soweit sie sich innerhalb einer geschlossenen Ortslage befinden oder überwiegend dem inneren Verkehr dienen.
§ 4 StrReinG regelt den Kreis der Reinigungspflichtigen. Danach hat die Klägerin die in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführten Straßen (für die Anlieger und Hinterlieger) zu reinigen. Die im Straßenreinigungsverzeichnis C aufgeführten Straßen haben die Anlieger zu reinigen (vor ihren Grundstücken bis zur Straßenmitte). Zur ordnungsmäßigen Reinigung der Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs sind die Eigentümer nach Absatz 2 dieser Vorschrift verpflichtet.
§ 7 StrReinG regelt die Kosten der von der Klägerin durchzuführenden Reinigung. Diese sind zu 75 % durch Gebühren zu decken. Diese Gebühren sind von den Anliegern und Hinterliegern der Straßen, die in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführt sind, zu entrichten.
Gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 StrReinG sind Anlieger die Eigentümer der an eine öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke. Gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 StrReinG grenzt ein Grundstück an eine Straße, wenn es an Bestandteile einer Straße heranreicht.
Die Gebühren werden gemäß § 7 Absatz 4 Satz 1 StrReinG aus den (je nach Reinigungsklasse unterschiedlichen) Gebührensätzen und der jeweiligen Grundstücksfläche berechnet. Maßgeblich ist die öffentliche Straße, an die das Grundstück angrenzt. Absatz 4 enthält weitere, hier nicht einschlägige Regelungen für Grundstücke, die an mehrere öffentliche Straßen in unters...