Leitsatz (amtlich)

1. Die Abweisung einer Klage eines Fußgängers auf Schmerzensgeld durch das AG entfaltet keine Rechtskraft hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen zur Geschwindigkeit des Kfz.

2. Reicht das Gutachten aus einem Parallelverfahren aus, um die von einer Partei zum Beweisthema angestellten Überlegungen und die in ihrem Vortrag angesprochenen aufklärungsbedürftigen Fragen zu beantworten, so kann es urkundenbeweislich verwertet werden; der Tatrichter muss nicht auf Antrag der Partei erneut einen Sachverständigen hinzuziehen und eine neue schriftliche oder mündliche Begutachtung anordnen.

3. Der für eine Haftung erforderliche Ursachenzusammenhang ist schon dann anzunehmen, wenn der Unfall bei ordnungsgemäßer Fahrweise des Pkw zu deutlich geringeren Verletzungen des Kl. geführt hätte; dies kann bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung dann bejaht werden, wenn bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 58 km/h die Kollisionsgeschwindigkeit 41,1 km/h betrug, bei Einhaltung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h jedoch nur 26 km/h betragen hätte.

4. In einem solchen Fall kann daher dahinstehen, ob der Kläger im Einzelnen darlegen und beweisen muss, welche geringeren Verletzungen er bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erlitten hätte; auch bezieht sich die Haftung dann auf sämtliche unfallbedingten Verletzungen und nicht nur solche, die durch die Geschwindigkeitsüberschreitung hervorgerufen wurden.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 09.06.2004; Aktenzeichen 24 O 6/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9.6.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 6/04 - abgeändert:

Die Klage ist dem Grunde nach zu 25 % gerechtfertigt.

Im Übrigen wird die Klage dem Grunde nach abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die am 10.9.2004 eingelegte und mit einem am Montag, den 11.10.2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 10.8.2004 zugestellte Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin vom 9.6.2004, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter und macht geltend, das LG habe seine Hinweispflicht verletzt. Es hätte dem Kläger (auch ohne einen ausdrücklichen Antrag) dazu Gelegenheit geben müssen, die vom LG im Termin zur mündlichen Verhandlung zitierten Entscheidungen des KG nachzulesen und dazu Stellung zu nehmen. Der Kläger meint, die vom LG zitierten Entscheidungen des KG würden auf den vorliegenden Sachverhalt nicht passen. Auch sei das LG dazu verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es konkreten Vortrag dazu vermisste, welche Verletzungen ausgeblieben wären, wenn der Beklagte mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von nur 50 km/h gefahren wäre. Der Kläger behauptet, in diesem Fall hätte er allenfalls leichte Verletzungen wie Schürfwunden, eine Prellung, eine leichte Gehirnerschütterung und im ungünstigsten Fall eine Fraktur eines Beines oder Armes davongetragen, bleibende Schäden wären indessen nicht verblieben (Beweis: Sachverständigengutachten). Weiter behauptet der Kläger, zum Unfallzeitpunkt habe kein starker Verkehr geherrscht (Beweis: Sachverständigengutachten, Vernehmung des Beklagten als Partei), der Kläger sei mit einer Geschwindigkeit von 1 bis 1,5 Meter pro Sekunde über die Straße gegangen (Beweis: Sachverständigengutachten, Vernehmung des Klägers als Partei).

Entgegen der Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. R. sei der Anstoß des Klägers am Beklagtenfahrzeug mittig (und nicht vorne rechts) erfolgt. Dies ergebe sich aus den als Anlage K 27 eingereichten Fotos.

Schließlich macht der Kläger geltend, das LG habe die in dem Verfahren des AG Mitte - 107 C 3293/00 (LG Berlin - 58 S 287/01 -) vom AG und vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Tatsachen, insb. zur Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) und zur Unvermeidbarkeit des Unfalls nicht als rechtskräftig festgestellt zugrunde legen dürfen, sondern die hierzu vom Kläger angebotenen Beweise erheben müssen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 9.6.2004 verkündeten Urteils des LG Berlin - 24 O 6/04 -

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 12.629,46 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.1.1999 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, beginnend mit dem 1.1.2004 vierteljährlich im Voraus einen Betrag von 611,44 DM = 312,62 EUR an den Kläger zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 30 % des weiter gehenden materiellen Schadens aus dem Verkehrsunfall vom 24.10.1997, 6.30 Uhr, in Berlin, Kreuzung Gustav-Meyer-Allee/Hussitenstraße zu ersetzen, letzterer, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das an...

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