Leitsatz (amtlich)

Holt der Geschädigte wegen eines Sachschadens an seinem Auto ein Sachverständigengutachten ein und fordert vom Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherung eine Freistellung von den Kosten hat er zu der getroffenen Honorarvereinbarung vorzutragen, weil nur dann geprüft werden kann, ob er eine etwaige Überhöhung der Kosten erkenne konnte.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 15.07.2015; Aktenzeichen 44 O 110/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.7.2015 verkündete Urteil des LG Berlin, Az.: 44 O 110/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 279,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.5.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen. Von den Kosten erster Instanz hat der Kläger 97 % und die Beklagte 3 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 04.04.2013 in Anspruch, bei der sein Pkw beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit.

Der Kläger beauftragte den Kfz-Sachverständigen ...am 05.04.2013 mit der Erstellung eines Schadensgutachtens, das dieser unter dem 09.04.2013 erstellte. Danach ergaben sich u.a. voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 25.791,81 Euro netto, ein Wiederbeschaffungswert von ca. 17.250,- Euro netto sowie ein Restwert von 3.500,- Euro.

Für seine Tätigkeit stellte er dem Kläger insgesamt 3.999,71 Euro inklusive 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung, wobei auf das Grundhonorar 3.290,- Euro netto entfielen und insgesamt 71,10 Euro netto auf einzeln ausgewiesene Nebenkostenpositionen wie Fotokosten, Fahrtkosten, EDV-Schreibgebühren, Kosten für Büromaterial, Kalkulation-/Bewertungskosten sowie eine Nebenkostenpauschale. Den Rechnungsbetrag zahlte der Kläger nicht.

Auch die Beklagte leistete hierauf keine Zahlung, weil sie das Gutachten für unbrauchbar und die Rechnung für drastisch überhöht hält.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, soweit im Berufungsverfahren noch relevant, die Freistellung von den ihm in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten in Höhe von 3.999,71 Euro und behauptet, mit dem Sachverständigen eine Honorarvereinbarung getroffen zu haben.

Das LG hat durch Urteil vom 15.07.2015 der Klage insoweit stattgegeben, weil der Kläger weder eine etwaige Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten habe, insbesondere weil dem Sachverständigen die Vorschäden bekannt waren, noch ersichtlich sei, dass er - der Kläger - bei der Beauftragung des Sachverständigen hätte erkennen können, dass dessen Honorar das in der Branche Übliche deutlich übersteige.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter. Sie hält an ihrem Bestreiten der behaupteten Preisvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen fest. Vorsorglich und hilfsweise macht sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend mit dem Ziel, eine etwaige Freistellung von den Sachverständigenkosten nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ersatzansprüche des Klägers gegen den Sachverständigen wegen fehlerhafter Begutachtung zu leisten. Sie meint, sie sei ohnehin mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Werkvertrag zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen einbezogen und könne daher Einwendungen gegen das Sachverständigenhonorar im hiesigen Prozessverhältnis erheben.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Berlin vom 15.07.2015 mit der Maßgabe abzuändern und die Klage abzuweisen, als dass eine Verurteilung über die Zahlung von 279,30 EUR nebst anteiliger Zinsen hinausgehend erfolgte.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzende Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen, der erstinstanzlichen Antragstellung und des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, im Übrigen auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig.

Auch in der Sache ist sie begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Freistellung von den Sachverständigenkosten.

Die zur Schadensfeststellung erforderlichen Kosten eines Kfz-Schadensgutachtens gehören zu den Kosten der Wiederherstellung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und sind vom ...

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