Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichten des Versicherungsagenten bei Änderung des Tarifs in einem bestehenden Versicherungsverhältnis
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.11.2007; Aktenzeichen 7 O 255/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 7 des LG Berlin vom 22.11.2007 teilweise abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer liegt unter 20.000 EUR.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung der noch ausstehenden Versicherungsprämie für das vierte Quartal 2006 i.H.v. 2.375,39 EUR aus der von der Beklagten bei ihr abgeschlossenen Multirisk-Versicherung für Einzelhandel und Handwerk zu.
Die Beklagte hat für das Jahr 2006 Versicherungsprämien i.H.v. insgesamt 7.126,17 EUR (3 × 2.375,39 EUR) gezahlt. Darüber hinausgehende Forderungen der Klägerin bestehen nicht.
1. Allerdings war nach den ursprünglich geltenden Vereinbarungen der Parteien im Jahr 2006 eine Prämie i.H.v. insgesamt 9.501,56 EUR geschuldet, die auch nicht durch eine Vertragsänderung herabgesetzt worden war. Die Beklagte ist der Auffassung, die Änderung der Prämienhöhe sei Ende 2005 durch vertragliche Vereinbarung mit dem Versicherungsagenten P., handelnd als Bevollmächtigter der Klägerin, zustande gekommen. Seinerzeit habe sie eine Herabsetzung der Versicherungsprämie verlangt und sich mit dem vom Agenten P. vorgeschlagenen Tarif 2003, der eine Entlastung von 2.938,60 EUR im Jahr mit sich brachte, einverstanden erklärt. Entgegen der Ansicht der Beklagten konnte der Versicherungsagent P. mangels Vertretungsmacht eine solche Vereinbarung aber nicht mit Wirkung zu Lasten der Klägerin treffen. Soweit es darum geht, für den Versicherer vertragliche Vereinbarungen abzuschließen, hat der Versicherungsagent kraft Gesetzes lediglich Vollmacht, die auf Abschluss einer Vereinbarung gerichteten Anträge entgegen zu nehmen, § 43 VVG. Die Vertretungsmacht, Verträge abzuschließen, kann dagegen (auch bei einem Generalagenten) nur auf eine durch den Versicherer erteilte, rechtsgeschäftliche Vollmacht (sei es ausdrücklich oder kraft Duldung) oder auf eine aus Rechtsscheingrundsätzen abgeleitete Anscheinsvollmacht gegründet werden. Dafür, insbesondere für eine Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen der Klägerin vom behaupteten Auftreten des Agenten P. als zum Vertragsschluss berechtigter, bevollmächtigter Vertreter, trägt die Beklagte keine ausreichenden Umstände vor. Nicht geeignet, solches zu belegen, ist der (i. Ü. nur pauschale) Vortrag der Beklagten, die Klägerin hätte in der Vergangenheit ihren Anträgen auf Änderung bestehender Versicherungsverträge, die zuvor zwischen ihr und dem Agenten P. abgesprochen und von diesem aufgenommen worden waren, stets entsprochen. Selbst wenn dieses zutreffen sollte, liegt in solchen Geschäftsvorgängen kein Hinweis für die Klägerin, dass der Agent P. seine Vollmacht zur (bloßen) Entgegennahme von Anträgen überschritten hat. Diese Behauptung der Beklagten ist lediglich geeignet, zu belegen, dass die Beklagte in der Vergangenheit gestellte Änderungsanträge angenommen hat.
Einer abschließenden Klärung bedarf all dies aber nicht. Es ist nicht streitentscheidend, weil die Beklagte auch ohne vertraglich vereinbarte Herabsetzung der Versicherungsprämie keine weitere Prämienzahlung schuldet. Die Beklagte hat insoweit jedenfalls mit ihrem Schadensersatzbegehren Erfolg. Die Klägerin ist im Wege des Schadensersatzes verpflichtet, die Beklagte so zu stellen, als wenn die Versicherungsprämie entsprechend den Vorstellungen der Beklagten für das Jahr 2006 herabgesetzt worden wäre.
2. Dieser Schadensersatzanspruch folgt aus §§ 280, 278 BGB i.V.m. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB, weil der Versicherungsagent P. als Erfüllungsgehilfe der Klägerin vertragliche Nebenpflichten im Rahmen der angestrebten Vertragsumstellung verletzt hat. Einen Ausgleich ihrer finanziellen Nachteile aus der unzulänglichen Antragsbearbeitung macht die Beklagte neben dem vertraglichen Erfüllungsanspruch auch ausdrücklich geltend.
Werden vertragliche Nebenpflichten im Rahmen der Vertragsanbahnung oder - bei einem bestehenden Vertragsverhältnis- im Rahmen angestrebter Vertragsänderungen verletzt und hat diese Pflichtverletzung zur Folge, dass der Vertrag bzw. die Vertragsänderung scheitert, so kann der Geschädigte im Wege des Schadenersatzes die angestrebte vertragliche Leistung verlangen, so als wenn die vertragliche Regelung zustande gekommen wäre (BGH VersR 1987, 147, juris-rz. 16; BGH VersR 1989, 948, juris-rz. 17 m.w.N. der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung; OLG Hamm Versr 1991, 914).
Eine Nebenpflichtverletzung liegt hier vor. Schon das LG hat festgestellt, dass der Antrag auf Änderung des Versicherungsvertrages durch den Versicherungsagenten P. unzulänglich aufgenommen worden war, weil die einzelnen Versicherungsorte nicht an...