Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgfaltspflicht bei parallelem Rechtsabbiegen

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 26.02.2003; Aktenzeichen 24 O 19/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.2.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 19/02 - teilweise abgeändert:

Das Versäumnisurteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin vom 31.5.2002 wird aufrechterhalten.

Die Kläger haben die weiteren Kosten des ersten Rechtszuges sowie die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt, unter Abänderung des Urteils des LG vom 26.2.2003, zur Wiederherstellung des klagabweisenden Versäumnisurteils des LG vom 31.5.2002.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Urteil des LG allerdings nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

Zwar haben die Kläger ihren fristgerechten Einspruch gegen das klagabweisende Versäumnisurteil vom 31.5.2002 nicht in der Einspruchsschrift und auch nicht in der Frist des § 339 Abs. 1 ZPO begründet. Die Begründung, insb. das erhebliche Vorbringen zur Aktivlegitimation, erfolgte vielmehr erst mit Schriftsatz vom 22.7.2002, ohne dass eine Fristverlängerung beantragt worden wäre. Entgegen der Annahme der Beklagten führt die fehlende Begründung des Einspruchs jedoch nicht zu dessen Unzulässigkeit, so dass das LG auch nicht gehalten war, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Die Begründung des Einspruchs ist entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut des § 340 Abs. 3 ZPO nicht notwendiger Inhalt der Einspruchsschrift (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 340 ZPO Rz. 7).

Der Ablauf der Frist hat (nur) die Wirkung des § 296 Abs. 1 ZPO, so dass es allein auf die Frage ankommt, ob die Zulassung des verspäteten Vorbringens den Rechtsstreit verzögert hätte. Ob dies der Fall war, kann jedoch dahinstehen, da das Urteil jedenfalls in der Sache keinen Bestand haben kann.

b) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ersatz des nach ihrer Behauptung bei dem Verkehrsunfall vom 6.12.2000 an dem Fahrzeug Mercedes Benz Sprinter ... entstandenen Schadens (§§ 7, 17, 18 StVG, § 823 BGB, § 3 Pflichtversicherungsgesetz).

Der Unfall stellte für den Fahrer des Lkw des Beklagten zu 2) zwar kein unabwendbares Ereignis gem. § 7 Abs. 2 StVG a.F. dar. Das Ausmaß des Verursachungsanteils und des Verschuldens des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs führt jedoch, auch unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr, dazu, dass der an dem klägerischen Fahrzeug entstandene Schaden durch die Beklagten nicht zu ersetzen ist (§ 17 Abs. 1 StVG a.F.).

aa) Das LG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Fahrer des Lkw des Beklagten zu 2) einen sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel i.S.v. § 7 Abs. 5 StVO vorgenommen hatte und die diesbezüglichen Grundsätze, insb. der Beweis des ersten Anscheins gegen den Fahrstreifenwechsler, zum Tragen kommen.

Ein Fahrstreifenwechsel noch auf der Autobahnausfahrt ist weder der polizeilichen Unfallaufnahme noch dem Vorbringen der Parteien oder den Zeugenaussagen zu entnehmen.

Die Weiterfahrt in einem anderen als dem bisher befahrenen Fahrstreifen nach dem Abbiegen stellt grundsätzlich keinen Fahrstreifenwechsel dar (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 7 StVO Rz. 16, § 5 Rz. 67). Die Fahrstreifen der bisher befahrenen Straße enden an der Kreuzungseinmündung, sofern sie nicht durch Markierungen in die neue Straße weitergeführt werden (BayObLG bei Janiszewski, NStZ 1988, 121). Dass die Fahrstreifen der Autobahnausfahrt nicht durch Markierungen in die B.-Allee weitergeführt wurden, ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus der Skizze der polizeilichen Unfallaufnahme. Der Rechts- (oder Links-)Abbieger, der sich noch nicht auf dem rechten (bzw. linken) Fahrstreifen der neuen Straße eingeordnet hat sondern diesen lediglich überquert, um sich im nächsten Fahrstreifen der neuen Straße einzuordnen, nimmt deshalb keinen Fahrstreifenwechsel vor (vgl. hierzu BayObLG DAR 1980, 277; Haarmann, DAR 1987, 139). Dies gilt insb., wenn sich der Unfallgegner, hier der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, noch nicht im Fahrstreifen der neuen Straße eingeordnet hatte und damit noch nicht zum fließenden Verkehr gehörte (KG, Urt. v. 13.6.1996 - 12 U 2594/95; Urt. v. 17.12.1990 - 12 U 960/90). Im Streitfall befanden sich beide Fahrzeuge noch im Abbiegevorgang, als der Zusammenstoß erfolgte.

bb) Für den streitgegenständlichen Unfall gelten vielmehr, wie die Berufung zutreffend hervorhebt, die Grundsätze über das paarweise Rechtsabbiegen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 StVO hat sich der Rechtsabbieger möglichst weit rechts einzuordnen. Auch wenn paarweises Rechtsabbiegen möglich und zulässig ist, trifft den Verkehrsteilnehmer, der sich entgegen der genannten Vorschrift nicht möglichst weit rechts eingeordnet hatte, eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Er darf den äußerst rechts Abbiegenden nicht einengen oder behindern und muss ihm notfalls den Vor...

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