Leitsatz (amtlich)
Entschädigung für unangemessene Verfahrensdauer in Berlin: Erledigung einer relativ einfachen erstinstanzlichen Verkehrsunfallsache in mehr als 12 Monaten seit der Klageeinreichung.
Normenkette
GVG §§ 193, 198 Abs. 1 S. 1; MRK Art. 6 Abs. 1
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ... nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 313a ZPO, 201 Abs. 2 GVG, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
B.1. Die Klage ist zulässig, denn die Klägerin ist Verfahrensbeteiligte im Sinne des § 198 Abs.1 und Abs. 6 Nr. 2 GVG und die Klage ist länger als sechs Monate nach der Verzögerungsrüge und weniger als sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens erhoben worden (§§ 198 Abs. 5 GVG).
2. Die Klage ist teilweise auch begründet.
Die Klägerin macht einen Nachteil geltend, der nicht Vermögensnachteil ist. Dieser Nachteil wird gemäß § 198 Abs.2 GVG vermutet, wenn das Verfahren unangemessen lange gedauert hat. Das ist hier der Fall. Die Klägerin rügt eine unangemessene Verzögerung von mindestens zwölf Monaten. Dem folgt der Senat in einem Umfang von 5,5 Monaten.
Das Verfahren, das eine relativ einfache Verkehrssache betrifft, hat von der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags bis zur Urteilszustellung nach nur einem Termin ohne Beweisaufnahme insgesamt knapp 28 Monate gedauert, bis zum abschließenden Vergleich im Berufungsverfahren rund 38 Monate.
Entscheidend ist, ob diese Verfahrensdauer unangemessen lang war und die Klägerin dadurch einen auszugleichenden Nachteil erlitten hat. Bei der Bewertung dieser Frage darf die durch Art. 97 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Gerichte nicht außer Betracht bleiben. Diese spielt aber hier keine entscheidungserhebliche Rolle.
Eine unangemessene Dauer bzw. Verzögerung des Prozesskostenhilfeverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens (insgesamt rund 7,5 Monate) kann nicht festgestellt werden und wird von der Klägerin ebenso wie die Zeit zwischen Urteilsverkündung und Urteilszustellung und hinsichtlich der Dauer des Berufungsverfahrens auch selbst nicht behauptet und geltend gemacht.
Der Vorwurf der Klägerin richtet sich hier vielmehr insbesondere gegen die eingetretene Verzögerung von der Klageeinreichung (...) bzw. der Terminansetzung (...) bis zu dem rund 15 Monate später angesetzten Verhandlungstermin (...), in dem auch das Urteil verkündet wurde. Der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen Klageeingang und der Terminsbestimmung ist ohne erkennbaren Verzögerungsgrund bereits als ungewöhnlich lang anzusehen. Die ebenso ungewöhnlich langfristige Terminierung des AG von über 15 Monaten veranlasste die Klägerin ersichtlich auch zu ihrer Verzögerungsrüge vom ... Der zuständige Abteilungsrichter hat in dem Beschluss vom ..., mit dem er die Verzögerungsrüge der Klägerin zurückgewiesen hat, seine Überlastung und die ungenügende Maßnahmen der Gerichtsverwaltung für den langen Terminstand verantwortlich gemacht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 - juris Rn. 31 ff.) ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von §§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (ausführlich Urteile des BGH vom 14.11.2013- III ZR 376/12 - Rn. 28 ff. = NJW 2014,220; vom 5.12.2013, Rn. 36 ff. - III ZR 73/13 und vom 23.1.2014, Rn. 35 ff. - III ZR 37/13- jeweils mwN).
Dies bedeutet, dass die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten muss, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Urteile des BGH vom 14.11.2013 aaO Rn. 31; vom 5.12.2013 aaO Rn. 42 und vom 23.1.2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791f; BVerwG NJW 2014, 96, Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG NJW 2014, 248, Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist hier von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen. Es gibt zwar keine festen Grenzen, in der ein Verfahren zeitlich bearbeitet und abgeschlossen werden muss, sondern dies ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu bewerten. Hier wird nicht der Vorwurf einer oder mehrerer verzögerlichen und unsachgemäßen Einzelmaßnahmen durch den konkreten Richter erhoben, sondern es geht um die g...