Leitsatz (amtlich)
Ist bei einem veranstaltungsbezogenen Miet- oder Werkvertrag die Geschäftsgrundlage gestört, kann dem Leistungsempfänger die Verlegung des Termins nicht zugemutet werden, wenn die Gegenseite sie nur zu Konditionen anbietet, die in der Gesamtbewertung nicht zu einer fairen Risikoaufteilung führen. Der Leistungsempfänger ist dann gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB zur Kündigung des Vertrages berechtigt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 26.08.2021; Aktenzeichen 90a O 6/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts vom 26. August 2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung der Miete für Veranstaltungsflächen in Anspruch.
Die Klägerin vermietet das für Veranstaltungen genutzte Objekt G in Berlin. Die Beklagten wollten dort am 7. November 2020 ihre Hochzeit feiern.
Am 24. Januar 2020 unterbreitete die Klägerin den Beklagten ein Angebot über die Nutzung des Objekts an jenem Tag gegen ein Entgelt von 7.200,00 EUR (einschließlich Umsatzsteuer). Das Angebot umfasste außerdem die Bewirtung der Gäste mit Getränken gegen ein Entgelt von weiteren 5.640,00 EUR (einschließlich Umsatzsteuer). Der Gesamtbetrag war zwei Tage vor der Veranstaltung zu zahlen. Unter "Ausfallzahlungen" bestimmte das Vertragsangebot, das bei Ausfall der Veranstaltung ab Bestätigung des Termins 50 % des Nutzungsentgelts von 7.200,00 EUR zu zahlen seien, ab sechs Monaten vor Veranstaltungstag 100 %. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
Die Beklagten nahmen das Angebot an, indem sie der Klägerin ein ausgedrucktes und unterzeichnetes Exemplar zurückgaben.
Nachdem in Berlin staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Kraft getreten waren, erkundigten sich die Beklagten Ende Mai / Anfang Juni 2020 bei der Beklagten telefonisch, zu welchen Bedingungen die Verlegung oder Stornierung ihrer Feier im G möglich wäre.
Der Mitarbeiter L der Klägerin teilte den Beklagten darauf per Mail mit (Anlage K 2):
"(...) Ihr seid Mieter und Veranstalter. (...) Sollten am Tag eurer geplanten Veranstaltung keine gesetzlichen Hinderungsgründe bestehen, steht ihr selbstverständlich in den Verpflichtungen aus eurem Vertrag.
Sollte eine Verschiebung gewünscht sein, gibt es zwei Möglichkeiten:
A) Verschiebung bis 31. März 2021: Wir bieten als Sonderregelung eine Verschiebung auf verfügbare Termine bis 31. März 2021 an. Eine Verschiebung in diesem Rahmen ist frei von Mehrkosten.
B) Verschiebung nach 31. März 2021: Für eine Verschiebung auf verfügbare Termine ab dem 1. April 2021 ist eine Stornierung des bestehenden Vertrages notwendig. Es greift die Ausfallzahlungsregelung aus unserem Vertrag, welche wir in Zusammenhang mit einem Vertrag für einen neuen Termin auf 5.000,00 EUR reduzieren."
Am 15. Juli 2020 führten die Beklagten mit Herrn L ein Gespräch über die Aufrechterhaltung ihrer Buchung.
Am 17. Juli 2020 teilte Herr L den Beklagten per Mail mit, ihre "Stornierung am 15. Juli 2020 notiert" zu haben. Zugleich unterbreitete er den Beklagten erneut die Möglichkeiten A) und B) aus seiner Mail vom 2. Juni 2020 und ergänzte sie wie folgt (vgl. Anlage K 3):
"Ergänzend zu B): Um in den Genuss der reduzierten Ausfallzahlung in Höhe von 5.000,00 EUR zu kommen, muss der Vertrag für den neuen Termin vor dem 6. November 2020 geschlossen sein. Das heißt, Ihr müsst bis Anfang November 2020 einen alternativen Termin fixieren.
C) Stornierung: Es greift die Ausfallzahlungsregelung aus unserem Vertrag."
Am 23. Juli 2020 widersprachen die Beklagten gegenüber Herrn L telefonisch, den Vertrag storniert zu haben und wiederholten dies am 26. Juli 2020 per Mail (Anlage B 2).
Die Klägerin reagierte zunächst nicht, stellte den Beklagten aber am 26. September 2020 die Ausfallzahlung über 7.200,00 EUR in Rechnung (Anlage K 4), worauf die Beklagten per Mail erwiderten, noch nicht storniert zu haben (Anlage B 3).
Nachdem im Verlauf des Jahres 2020 Veranstaltungsverbote vorübergehend gelockert worden waren, trat am 7. Oktober 2020 die Siebente Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Berliner Senats (7. SARS-CoV-2-InfSchÄndV) in Kraft. Nach deren § 6 Abs. 4 S. 2 waren private Veranstaltungen und private Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen mit mehr als zehn zeitgleich Anwesenden verboten.
Unter Hinweis auf dieses Verbot erklärten die Beklagten der Klägerin am 22. Oktober 2020 per Mail, dass die Veranstaltung nun "objektiv unmöglich" geworden sei und deshalb ein wichtiger Kündigungsgrund bestehe. Ein "möglicher Ausweichtermin" sei "unter den gegebenen Umständen nicht planbar". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B 4 verwiesen.
Die Klägerin forderte die Beklagten nunmehr durch ihren Prozessbevollmächtigten zur Zahlung der 7.200,00 EUR auf, was die Beklagten anwaltlich zurückwiesen.
Die Klägerin hat vor dem Landgerich...