Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 19.11.2021; Aktenzeichen 15 O 450/20) |
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil sowie das am 19. November 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben sowie begründet worden, §§ 511, 517, 520 ZPO.
2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die von dem Senat gemäß §§ 531 Abs. 1, 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung.
a) Der vor der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz besteht nicht.
aa) Die Beklagte hat der Klägerin nicht vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einen Schaden zugefügt. Damit scheidet ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB aus.
(1) Allerdings ist eine Haftung der Beklagten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen der mit der Manipulationssoftware versehenen Motoren EA 189 auf dieser Grundlage nicht ausgeschlossen. Ihr Verhalten kann sich auch im Verhältnis zu den Personen, die eines der betroffenen Fahrzeuge erwarben und keine Kenntnis von der illegalen Abschalteinrichtung hatten, als besonders verwerflich und objektiv sittenwidrig darstellen (BGH. WM 2020, 1078, 1081).
(2) Hingegen ist für die Bewertung eines schädigenden Verhallens als sittenwidrig in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln. Dabei ist das gesamte Verhallen des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens bei dem konkret Geschädigten zugrunde zu legen (BGH, NJW 2020, 2798, 2802).
Inzwischen ist höchstrichterlich geklärt, dass bereits in der Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015, auf die auf Seite 12 der Berufungserwiderung vom 10. März 2022 Bezug genommen worden ist, eine Zäsur zu sehen ist, die eine andere Bewertung des Verhaltens der Beklagten rechtfertigen kann Diese Mitteilung war objektiv geeignet, das Vertrauen potentieller - künftiger - Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren des Typs EA 189 in eine vorschriftgemäße Abgastechnik zu zerstören, eine diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen (BGH. VI ZS, a.a.O, 2803; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 8B9/20 Beschluss vom 14. September 2021 - VI ZR 491/20 - juris; Urteil vom 23 September 2021 - III ZR 200/20). Das soll sogar bei einem zeitlich relativ kurz nach der Ad-hoc-Mitteilung erfolgten Erwerb am 24. oder 25. November 2015 gelten (BGH, Urteil vom 5. April 2022 - VI ZR 485/20; Urteil vom 12. Oktober 2021 - VI ZR 879/20 - juris).
(3) Die Klägerin hat den streitbefangenen Pkw im März 2019 erworben. Ob ihr zu diesem Zeitpunkt die mit der Diesel-Problematik zugrundeliegenden Umstände bekannt waren. Insbesondere, dass der von ihr erworbene Pkw mit einem Motor der Baureihe EA 189 ausgestattet war ist für die Bewertung des Verhaltens der Beklagten zu diesem Zeitpunkt ohne Relevanz. Die Beklagte traf zur Vermeidung des Sittenwidrigkeitsvorwurfs nicht die Verpflichtung, jeden potentiellen Käufer über die für seine Kaufentscheidung wesentlichen Gesichtspunkte und die Mängel des Kaufgegenstands vollständig aufzuklären (BGH a a.O.: Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20).
Dessen ungeachtet waren im Zeitpunkt des Erwerbs des PKWs durch die Klägerin von Seiten der Beklagten die auf Seiten 12 ff der Berufungserwiderung vom 10. März 2022 dargestellten weiteren an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen erfolgt, die nicht zuletzt unter den Bezeichnungen "Diesel-Skandal" oder "Abgasskandal" ein breites Echo in öffentlichen Medien erzeugt hatten.
(4) Die Klägerin stellt dies letztlich auch nicht mehr in Frage. Sie hat zuletzt selbst vortragen lassen, es gehe nicht um die ursprüngliche Abschalteinrichtung. Die Klägerin hat aber auch keine Umstände aufgezeigt, die das Verhalten der Beklagten nach Bekanntwerden des "Diesel-Skandals" weiterhin als sittenwidrig zu bewerten rechtfertigen konnten.
(a) Dabei kann vorausgesetzt werden, dass die Beklagte bestrebt war. Ihren Aufwand im Zusammenhang mit der Erfüllung von Auflagen des Kraftfahrtbundesamts so gering wie möglich zu halten. Etwas Anderes wäre bei einem wirtschaftlich tätigen Unternehmen wie der Beklagten kaum zu erwarten. Die Vermeidung von finanziellen Einbußen ist letztlich aber nicht anders zu werten wie das Streben nach Erhöhung des Gewinns. Beide Ziele sind grundsätzlich erlaubt und auch nicht ohne weiteres verwerflich (vgl BGH. WM 2020, 1078, 1081).
Das mit der Entwicklung der ursprünglichen Motorsteuerungssoftware an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns wurde aber auch im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge dadurch verwerflich, weil es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typengenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde erreicht werden sollte, und dies mit einer Gesinnung verbunden war...