Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 16.07.2021; Aktenzeichen 17 O 21/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Juli 2021 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts Berlin sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb am 21. März 2018 von einem Autohändler zu einem Kaufpreis von 14.999,00 EUR einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten VW Beetle, der mit einem Dieselmotor aus der Baureihe EA 189 ausgestattet ist.
Von der weiteren Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
B. I. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft, denn der Kläger verfolgt mit ihr einen Zahlungsanspruch in Höhe von mindestens 14.000,000 EUR und einen Freistellungsanspruch in Höhe von 990,68 EUR.
Er bleibt dabei innerhalb seiner durch die Abweisung seiner Feststellungsklage geschaffenen Beschwer, da er mit seiner nunmehr erhobenen Leistungsklage aus demselben Sachverhalt wegen desselben materiellen Anspruchs vorgeht (vgl. Zöller-Heßler, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, Rn. 10b Vorbemerkungen zu §§ 511-541).
Die Berufung ist auch nach §§ 917, 919, 920 ZPO form- und fristgerecht und damit insgesamt in zulässiger Weise eingelegt worden.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
1. Der in der Berufungsinstanz erfolgte Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage ist allerdings nach § 264 Abs. Nr. 2 ZPO zulässig (vgl. BGH NJW 192, 2296), ohne dass es der Einwilligung der Beklagten bzw. einer Sachdienlichkeit i.S.d. § 533 Nr. 1 ZPO bedarf (vgl. BGH NJW 1992, 2296; BGH VersR 1987, 411).
Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der in der Berufungsinstanz geltend gemachten Klageanträge.
Der Kläger macht zwar mit seinem Antrag zu 1. einen unbezifferten Leistungsantrag geltend, denn die Nutzungsentschädigung ist im Wege der Anrechnung als Vorteil von dem Ersatzanspruch nach § 249 BGB abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schuldners bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 - VI ZR 1191/20 -, juris m.w.N.). Ein solcher unbezifferter Zahlungsantrag, der auch erstmals im Berufungsverfahren gestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - XII ZB 522/14 -, juris; BGH WM 1974, 1162), ist unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dann zulässig, wenn die Bestimmung des Betrages von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängig ist (vgl. BGHZ 4, 138, 142; BGHZ 45, 91). Der Kläger muss dafür die für eine Schätzung erforderlichen Grundlagen umfassend darlegen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2002 - III ZR 205/01 -, juris; BGHZ 4, 138; BGH NJW 74, 1551) und die Größenordnung seiner Vorstellungen, z.B. in Form eines Mindestbetrags, angeben (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2002 - III ZR 205/01 -, juris; BGH VersR 77, 861; BGH NJW 82, 340; BGH NJW 1996, 2425). Dies ist vorliegend geschehen. Die nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung einer vom Kaufpreis im Wege der Vorteilsanrechnung abzuziehenden Nutzungsentschädigung kann nach der Formel: Bruttokaufpreis × gefahrene Kilometer / Gesamtlaufleistung berechnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 - juris). Die dafür erforderlichen Angaben hat der Kläger gemacht. Sie sind - abgesehen von der zu erwartenden Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges - unstreitig geblieben.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte aber nach keiner ernsthaft in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage einen Anspruch auf Schadensersatz, weshalb auch seine mit der Klage geltend gemachten Nebenansprüche, insbesondere ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten scheitern.
a. Vertragliche Ansprüche oder solche aus vorvertraglicher Haftung (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3 BGB) scheiden mangels rechtsgeschäftlicher oder rechtsgeschäftsähnlicher Beziehungen zwischen den Parteien aus (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, juris).
Ein eigenes Vertragsverhältnis zwischen den Parteien besteht nicht.
Aus Verschulden bei Vertragsschluss haftet grundsätzlich nur, wer Vertragspartner ist oder werden soll. Ausnahmsweise kann zwar auch ein für einen Beteiligten auftretender Vertreter, Vermittler oder Sachwalter aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Dazu muss er aber entweder in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen oder ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts haben (vgl. BGHZ 159, 94 m.w.N.). Beides hat der Kläger nicht mit Substanz dargetan. Die Beklagte war an dem Kauf des streitgegenständl...