Verfahrensgang

LG Berlin (Vorbehaltsurteil vom 19.03.1997; Aktenzeichen 100 O 25/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. März 1997 verkündete Vorbehaltsurteil der Kammer für Handelssachen 100 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Klage wird als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, sofern nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,00 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege des Urkundenprozesses auf Zahlung von Mietzins für den Monat Februar 1997 in Höhe von 153.332,00 DM aufgrund eines im Rahmen eines notariellen Vertragskonvoluts vom 29./30. April 1993 geschlossenen Mietvertrages in Anspruch.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage durch sein Vorbehaltsurteil vom 19. März 1997 stattgegeben und der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie in erster Linie die Unstatthaftigkeit des Urkundenprozesses geltend macht. Diese ergebe sich zum einen daraus, daß die Klägerin bislang weder das Original noch eine beglaubigte Abschrift der vollständigen Mietvertragsurkunde vorgelegt habe, aber auch daraus, daß der Nachweis der geltend gemachten Mietzinsforderungen im Wege des Urkundenprozesses anhand der Vertragsurkunde nicht erbracht werden könne.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Vorbehaltsurteils, die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abzuweisen,

hilfsweise,

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, insbesondere das angestrengte Urkundenverfahren für statthaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten mußte in der Sache Erfolg haben, denn die Klägerin kann die dem Grund und der Höhe nach bestrittene Mietzinsforderung für Februar 1997 im Wege des von ihr angestrengten Urkundenprozesses nicht beweisen. Die Klage war daher nach § 597 Abs. 2 ZPO als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abzuweisen, da die Klägerin trotz Hinweises des Senats nicht vom Urkundenprozeß Abstand genommen hat.

Unzutreffend ist allerdings die Auffassung der Beklagten, die Unstatthaftigkeit des Urkundenprozesses ergebe sich schon daraus, daß die Klägerin in diesem Prozeß keine vollständige Mietvertragsurkunde bzw. eine beglaubigte Abschrift hiervon vorgelegt hat. Nach § 539 Abs. 2 Satz 1 ZPO müssen die Urkunden zwar in Urschrift oder in Abschrift der Klage oder einem vorbereiteten Schriftsatz beigefügt werden. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, der der Bundesgerichtshof gefolgt ist (vgl. BGH in NJW 74, 1199 (1200); RGZ 114, 371; 142, 303 (306)), führt ein Verstoß hiergegen allerdings nicht zur Unstatthaftigkeit des Urkundenprozesses, sofern der Inhalt der Urkunde zwischen den Parteien unstreitig ist. Denn Unstreitiges bedarf auch im Urkundenprozeß keines Beweises (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 19. Aufl., § 593 Rdnr. 10 und 11). Da der Inhalt des Mietvertrages zwischen den Parteien nicht im Streit ist, steht die Nichtvorlage der Urkunde der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses daher nicht entgegen.

Die klageweise Geltendmachung von Mietzinsforderungen im Urkundenprozeß ist aber deswegen unstatthaft, weil sich aus der Vertragsurkunde die anspruchsbegründende Tatsache der Mietzinshöhe nicht ergibt. Zwar ergibt sich die Höhe des vereinbarten Mietzinses zunächst aus der Mietvertragsurkunde. Hinsichtlich des Mietzinses besteht aber die gesetzliche Besonderheit, daß nach § 537 Abs. 1 BGB im Falle eines Mangels der Mietsache, durch den der Gebrauch der Mietsache erheblich eingeschränkt oder gar aufgehoben ist, der Mietzins kraft Gesetzes gemindert ist oder gar entfällt, ohne daß der Mieter sich hierauf berufen muß (vgl. BGH WM 91, 1006). Es gilt dann kraft Gesetzes der geminderte Mietzins als geschuldet. Aufgrund dieser Besonderheit kann daher die Mietzinshöhe nicht in jedem Fall durch die Mietvertragsurkunde bewiesen werden. Dies hat zur Folge, daß Mietzinsforderungen im allgemeinen im Urkundenprozeß nicht geltend gemacht werden können (vgl. Sternl, Mietrecht Aktuell, 3. Aufl., 1996, Rdnr. 1470; LG Augsburg WuM 93, 416 (417)). Diese ...

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