Leitsatz
Die Beteiligten waren türkische Staatsbürger, hatten im Jahre 1997 geheiratet und sich im Juli 2009 voneinander getrennt. Aus ihrer Ehe war ein im Jahre 1999 geborenes Kind hervorgegangen, das in dem Haushalt seiner Mutter lebte, die den Beklagten auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch nahm. Der Kindesvater lebte seit 1997 in Deutschland, hatte keinen Beruf erlernt und war der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig. In der Zeit von 2001 bis 2004 war er zeitweise bei Leiharbeitsfirmen angestellt und erzielte während dieser Zeit Einkünfte zwischen 6,60 EUR und 6,70 EUR brutto pro Stunde. Seit August 2004 war er arbeitslos.
Im Zuge der Trennung und Anmietung einer eigenen Wohnung hatte er zudem von seinem Vormieter Möbel zu einem Kaufpreis von 1.350,00 EUR erworben, die er in Raten von 100,00 EUR monatlich abzahlte. Außerdem hatte er eine Mietkaution für seine Wohnung von 630,00 EUR zu leisten.
Erstinstanzlich hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für das gemeinsame Kind ab Oktober 2009 monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 240,00 EUR zu zahlen.
Das FamG hat den Antragsgegner verpflichtet, Kindesunterhalt i.H.v. 100,00 EUR für die Zeit von Oktober 2009 bis September 2010 und i.H.v. 240,00 EUR monatlich ab Oktober 2010 zu zahlen. Hierbei hat es dem Antragsgegner ein fiktives Einkommen aus einer Haupt- und ggf. einer zusätzlichen Nebentätigkeit zugerechnet. Für eine Übergangsfrist von einem Jahr ist es von geringeren Einkünften in unbezifferter Höhe ausgegangen, um dem Antragsgegner zunächst Gelegenheit zu geben, die deutsche Sprache zu erlernen.
Gegen den erstinstanzlichen Beschluss wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, die nur geringen Erfolg hatte.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hat der Antragstellerin für das gemeinsame Kind Unterhalt i.H.v. 100,00 EUR monatlich für die Zeit von Mai 2010 bis einschließlich September 2010 und i.H.v. 240,00 EUR ab Oktober 2010 zugesprochen.
Der Antragsgegner könne sich - wie vom FamG zutreffend angenommen - ggü. seinem minderjährigen Kind nicht uneingeschränkt auf seine Leistungsunfähigkeit berufen. Spätestens ab Mai 2010 müsse er sich fiktives Einkommen in einer Höhe zurechnen lassen, dass ihn in die Lage versetze, den begehrten Kindesunterhalt zu leisten.
Ihn treffe mit Beginn seiner Barunterhaltsverpflichtung nach der Trennung der Eheleute ggü. seinem minderjährigen Kind gemäß § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Ob und inwieweit er als Unterhaltspflichtiger leistungsfähig sei, werde nicht allein durch sein tatsächliches Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit. Ihn treffe unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, ihm zumutbare und mögliche Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm zumutbare und mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH FamRZ 1985, 158; OLG Hamm FamRZ 1998, 982).
Der Antragsgegner habe deshalb alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um schnellstmöglich eine seinem Alter, seinem Gesundheitszustand, seiner Vorbildung und seinem beruflichen Werdegang entsprechende und möglichst gut bezahlte Stelle zu finden.
Diesen Anforderungen werde sein Verhalten nicht gerecht.
Er habe nicht schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er sich nach der Trennung der Eheleute in ausreichendem Maße um eine Arbeitsstelle bemüht habe.
Gesundheitliche Einschränkungen seien nicht erkennbar und nicht vorgetragen. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein ausländischer Mitbürger mit fehlenden oder eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sei, bestehe nicht. Im Rahmen der ihn treffenden Erwerbsobliegenheit könne im Übrigen erwartet werden, dass er sich darum bemühe, ausreichende Kenntnisse in der deutschen Sprache zu erwerben.
Unter diesen Umständen und vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner keine einzige Bewerbung auf einen Arbeitsplatz dargelegt habe, könne von seiner fehlenden Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausgegangen werden.
Ihm seien daher fiktive Erwerbseinkünfte in Höhe des tatsächlich erzielbaren Einkommens zuzurechnen. Bei einem erzielbaren Stundenlohn von 9,88 EUR brutto und einer vollschichtigen Arbeitszeit von durchschnittlich rund 174 Arbeitsstunden im Monat betrage das Nettoeinkommen des Antragsgegners unter Berücksichtigung der Steuerklasse 1 und des entsprechenden Kinderfreibetrages monatlich 1.207,32 EUR. Nach Abzug fiktiver berufsbedingter Aufwendungen i.H.v. von 60,00 EUR verblieben ihm bereinigt 1.147,32 EUR netto. Damit sei er in der Lage, den begehrten Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn zu zahlen.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 27.05.2010, II-2 UF 8/10