Rz. 46

Auch wenn nach dem Wortlaut des § 536 die Minderung ‹automatisch› eintritt, wenn ein erheblicher Fehler vorliegt, muss der Mieter nach allgemeiner Meinung grundsätzlich das Vorliegen von Mängeln darlegen und im Streitfall auch beweisen, wenn er sich auf Minderung beruft.

Macht der Mieter einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung in Gestalt von Geräusch- und Schmutzimmissionen geltend, hat der Mieter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung Immissionen der vorbezeichneten Art ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen, und dass es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung i. S.d § 906 Abs. 1 Satz 1 handelt; von den auf dieser Grundlage zu treffenden notwendigen Feststellungen darf der Tatrichter – schon mangels eines entsprechenden Erfahrungssatzes – nicht mit der Begründung absehen, dass Baumaßnahmen, die auf einer in der Nähe der Wohnung gelegenen Baustelle (hier: zur Errichtung eines Neubaus in einer Baulücke) durchgeführt werden, typischerweise mit Immissionen in Form von Lärm und Schmutz einhergingen, die eine Mietminderung rechtfertigten (BGH, Urteil v. 29.4.2020, VIII ZR 31/18, GE 2020, 864).

Dazu genügt es, wenn er Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit § 536 Abs. 1 geeignet sind, den Mietzahlungsanspruch des Vermieters als nicht bestehend erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss v. 18.12. 2019, XII ZR 67/19, GE 2020, 465; im Anschluss an BGH, Beschluss v. 27.7.2016, XII ZR 59/14, NZM 2016, 796).

Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen (BGH, Beschluss v. 10.4.2018, VIII ZR 223/17, NZM 2018, 442; BGH, Beschluss v. 21.2.2017, VIII ZR 1/16, ZMR 2017, 379; BGH, Beschluss v. 27.7.2016, XII ZR 59/14, ZMR 2016, 854; BGH Beschluss v. 25.10.2011, VIII ZR 125/11, WuM 2011, 700; Beschluss v. 29.2.2012, VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647). Von ihm ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen ("Mangelsymptome") hinaus die – ihm häufig nicht bekannte – Ursache dieser Symptome bezeichnet (BGH, Beschl. v. 27.07.2016, XII ZR 59/14, NZM 2016, 796).

 
Hinweis

Wiederkehrende Beeinträchtigungen

Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schmutz genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen (Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur o. Ä.) es geht (BGH, Beschluss v. 21.2.2017, VIII ZR 1/16, a. a. O.), zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten; die Vorlage eines "Protokolls" ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss v. 21.2.2017, VIII ZR 1/16, a. a. O.; BGH, Urteil v. 29.2.2012, VIII ZR 155/11, WuM 2012, 269 m. Anm. Jahreis, WuM 2012, 309; LG München I, Urteil v. 14.1.2016, 31 S 20691/14, NZM 2016, 237; LG München I, Urteil v. 27.10.2016, 31 S 58/16, GE 2017, 356).

Der Mieter, der Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs durch das Klavierspiel eines Mitmieters geltend macht, muss insbesondere darlegen, dass das Klavierspielen den zulässigen Rahmen von zwei Stunden täglich außerhalb der Ruhezeiten übersteigt (LG Berlin, Urteil v. 16.11.2001, 64 S 492/00, GE 2002, 397). Der Mieter trägt auch die Darlegungslast dafür, dass eine von ihm behauptete Schadstoffbelastung der Luft (z. B. Formaldehyd PAK) mit dem Zustand der Mietsache etwas zu tun hat (AG Berlin-Hohenschönhausen, Urteil v. 17.9.2002, 4 C 219/99, GE 2003, 955 [956]). Der Mieter, der unzureichende Beheizung behauptet, muss seinen Vortrag durch Temperaturmessungen mit einem geeichten Thermometer über längere Zeit konkretisieren (AG Fürstenwalde, Urteil v. 26.3.2005, 12 C 481/04, GE 2005, 1131). Bei umfangreichen Sicherungsmaßnahmen an der Außenfassade mit Einrüstung und Verhüllung durch Abdeckplane kann von dem Mieter nicht die einzelne Darlegung verlangt werden, wann an welchem Tag zu welcher Stunde welches Geräusch aus welcher Richtung in welcher Lautstärke kam und welches Ausmaß die Verschmutzung täglich einnahm. Für einen derartigen Fall kann eine feste Minderungsquote für die Dauer des Bauvorhabens zugesprochen werden (KG Berlin, Urteil v. 8.1.2001, 8 U 5875/98, MM 2001, 262). Der auf die Begutachtung durch einen Bausachverständigen gestützte Vortrag des einen Mietmangel behauptenden Mieters von Gewerbeflächen für ein Kfz-Handelsunternehmen, die mitgemietete Außenfläche sei konstruktiv bedingt für eine dauerhafte Belastung mit Kfz und ein Befahren mit Lkw nicht gegeben, weil der Unterbau nicht fachgerecht durch Schottertragschichten ausgebaut und verdichtet und der Ablauf des Regenwassers nicht gewährleistet sei, genügt, um den Darlegungsanforderungen an einen Mietmangel im Prozess (BGH, Beschluss v. 18.12.2019, XII ZR 67/19, NZM 2020, 287).

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