Rz. 88
Die Fälligkeit des Anspruchs aus der Abrechnung setzt zunächst den Zugang einer ordnungsgemäß erstellten und nachvollziehbaren Abrechnung voraus (BGH, Urteil v. 8.3.2006, VIII ZR 78/05, GE 2006, 502; BGH, Urteil v. 9.3.2005, VIII ZR 57/04, NJW 2005, 1499; BGH, Urteil v. 11.11.2004, IX ZR 237/03, NJW-RR 2005, 487). Für Betriebskostenabrechnungen ist keine Form vorgeschrieben; daher machen handschriftliche Zusätze, Einfügungen und Ergänzungen eine Abrechnung nicht formell unwirksam (LG Wiesbaden, Urteil v. 9.7.2020, 3 S 91/20, GE 2020, 1188). Ob die abgerechneten Positionen dem Ansatz und der Höhe nach zu Recht bestehen oder sonstige Mängel der Abrechnung vorliegen, etwa ein falscher Anteil an den Gesamtkosten zugrunde gelegt wird, betrifft nur die inhaltliche Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung. Ein inhaltlicher Fehler hindert nicht ohne Weiteres die Fälligkeit der Nachforderung (LG Itzehoe, Urteil v. 24.9.2010, 9 S 65/09, WuM 2011, 17).
Betrifft der formelle Mangel nur einzelne Betriebskosten, ist die Abrechnung im Übrigen wirksam; in Höhe der nicht vom formellen Fehler betroffenen Kostenposition wird der Nachzahlungsanspruch des Vermieters wird also fällig und setzt die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB in Gang (BGH, Versäumnisurteil v. 8.12.2010, VIII ZR 27/10, GE 2011, 404).
Weitere Voraussetzung für eine Nachforderung von Betriebskosten, die der Mieter aufgrund entsprechender Vereinbarung zu tragen hat (§ 556 Abs. 1 Satz 1), ist zudem, dass der Vermieter die richtige Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der angefallenen Betriebskosten auf die einzelnen Mieter, dargelegt und – bei substantiiertem Bestreiten des Mieters – bewiesen hat (BGH, Urteil v. 7.2.2018, VIII ZR 189/17, GE 2018, 577).
Zugegangen ist die Abrechnung, wenn sie derart in den Machtbereich des Mieters gelangt ist, dass dieser von ihr Kenntnis nehmen kann, also schon mit Einwurf in den Briefkasten, sobald nach der Verkehrsauffassung mit der Entnahme durch den Empfänger zu rechnen ist (vgl. dazu näher Rn. 83). Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern auf die allgemeine Verkehrsauffassung (BGH, NJW 2004, 1320). Bei Geschäftsbriefkästen gilt ein nach dem Ende der für Betriebe dieser Art allgemein üblichen Arbeitszeit eingeworfene Erklärung erst am nächsten Arbeitstag als zugegangen (BGH, Urteil v. 5.12.2007, XII ZR 148/05, GE 2008, 261). Bei den auf dem – dem Vermieter für den Schriftverkehr mitgeteilten – E-Mail-Postfach des Mieters von Wohnraum gilt die Abrechnung spätestens am Tag zugegangen, der auf den Tag folgt, an dem die Abrechnung in der Mailbox des Mieters oder der des Providers abrufbar gespeichert wurde (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 556 Rn. 411). Im geschäftlichen Verkehr gilt eine während der üblichen Geschäftszeiten eingegangene E-Mail noch am selben Tag als zugegangen.
Der Zugang bei einem Empfangsvertreter steht dem Zugang beim Mieter gleich (§ 166 Abs. 2). Bei einen Empfangsboten gilt die Abrechnung als zugegangen, wenn nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge das Eintreffen der Abrechnung beim Mieter zu erwarten war (BGH, Urteil v. 15.3.1989, VIII ZR 303/87, NJW 1989, 2049). Empfangsbote ist nur, wer nach der Verkehrsanschauung als "Empfangsstelle" des Mieters anzusehen ist. Im Mietprozess ist der Prozessbevollmächtigte des Mieters nach § 81 ZPO auch zur Entgegennahme einer neuen Abrechnung oder einer Abrechnungskorrektur ermächtigt
Bei mehreren Mitmietern reicht der Zugang an einen Mieter aus, wenn die Abrechnung an alle Mieter adressiert ist und mietvertraglich eine Empfangsvollmacht vereinbart worden ist (LG Berlin, GE 2000, 281; Schach, GE 2000, 1678). Ist bei mehreren Mitmietern die Abrechnung nur einem Mieter zugegangen – sei es, weil sie nur an ihn adressiert ist oder eine Empfangsvollmachtsklausel fehlt –, so wird sie nur ihm gegenüber wirksam (BGH, Urteil v. 28.4.2010, VIII ZR 263/09, GE 2010, 760; LG Frankfurt/Main, Urteil v. 2.12.2008, 2-17 S 63/08, NZM 2009, 481; a. A. LG Berlin, Urteil v. 7.7.2006, 63 S 342/05, GE 2006, 1235; LG Berlin, Urteil v. 15.6.2000, 62 S 53/00, GE 2000, 1032, insgesamt unwirksam); der Vermieter kann diesen einen Mieter gesondert in Anspruch nehmen (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 556 Rn. 414).
Ist die Abrechnung allen Mitmietern gegenüber wirksam geworden, so kann sich der Vermieter aussuchen, wen er auf Ausgleich der Nachforderung in Anspruch nimmt (§ 426 Abs. 1); er kann alle zusammen oder nur einen von ihnen in Anspruch nehmen. Die Auszahlung eines Guthabens können grundsätzlich nur alle zusammen verlangen (§ 709); ist die Abrechnung aber nur einem von mehreren Mitmietern gegenüber wirksam geworden, so kann nur dieser allein die Auszahlung des Guthabens – allerdings nur an alle Mitmieter – verlangen (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 556 Rn. 415). Ein in der Abrechnung ausgewiesenes Guthaben wird mit Zugang der Abrechnung fällig und zahlbar.
Die Fälligkeit einer Nachforderung setzt dagegen nicht voraus, da...