Harald Kinne, Hans-Jürgen Bieber
Rz. 17
Für die Wohnraummiete gilt ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der § 569 Abs. 3, dessen Nr. 1 und 2 dem bis zum 1.9.2001 geltenden § 554 Abs. 2 Nr. 1 und 2 mit der wichtigen Ausnahme entsprechen, dass die Schonfrist für die Zahlung der fälligen Mietschulden nach Zustellung der Räumungsklage von bisher einem Monat (§ 554 Abs. 2 Nr. 2 in der bis zum 1.9.2001 geltenden Fassung) auf zwei Monate verlängert worden ist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2).
In Ergänzung des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a Alt. 2 BGB, wonach der Vermieter bei Rückstand "eines nicht unerheblichen Teils der Miete" für zwei aufeinander folgende Termine kündigen kann, ist in § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB ergänzend geregelt, dass der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Das gilt nicht für zum vorübergehenden Gebrauch vermieteten Wohnraum (§ 569 Abs 3 Nr. 1 Satz 2).
Erheblichkeit des Mietrückstands
Die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigenden Mietrückstands ist allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen (BGH, Urteil v. 8.12.2021, VIII ZR 32/20, GE 2022, 147; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 172; Hinz, WuM 2021, 137).
Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 wird die Zahlungsverzugskündigung für Wohnraum gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB – im Wege der gesetzlichen Fiktion – unwirksam, wenn der Vermieter bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs (der sog. Schonfrist) hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird (Nachholrecht). Gemäß § 569 Abs. 2a Satz 4 BGB gilt die Vorschrift für die Kündigung wegen Kautionsverzugs entsprechend.
§ 569 Abs. 3 Nr. 2 findet keine entsprechende Anwendung auf die ordentliche Kündigung (BGH, Urteil v. 13.10.2021, VIII ZR 91/20, NZM 2022, 49; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn.74).
§ 569 ist eine soziale Schutzvorschrift für Wohnraum-Mietverhältnisse, wie sich unproblematisch aus der systematischen Stellung im Untertitel 2 des Abschnittes a der Titel 5 des BGB ergibt. Ist mit der Wohnung zugleich eine auf dem Gelände liegende Garage von demselben Vermieter an den Mieter vermietet worden (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.12.2006, 10 U 179/05, GE 2007, 290; AG Eschweiler, Urteil v. 8.12.2016, 29 C 10/16, WuM 2017, 173; weitergehend AG Gelsenkirchen, Urteil v. 11.3.2011, 14 C 12/11, WuM 2012, 196 und AG Fürstenfeldbruck, Urteil v. 19.2.2009, 2 C 907/08, NZM 2010, 239; u. U. auch bei zeitlich späteren Abschluss des Garagenmietverhältnisses), ohne dass gesonderte Kündigungsfristen dafür vereinbart worden sind, besteht in analoger Anwendung des § 569 Abs. 3 die Heilungsmöglichkeit auch für das Garagenmietverhältnis, das mietrechtlich als Teil des Wohnraummietverhältnisses angesehen wird; anders ist es, wenn Wohnung und Garage auf verschiedenen Grundstücken liegen oder separate Vertragsformulare – insbesondere mit unterschiedlichen Kündigungsfristen – verwendet worden sind (BGH, Beschluss v. 14.12.2021, VIII ZR 94/20, GE 2022, 301; BGH, Beschluss v. 11.3.2014, VIII ZR 374/13, MietPrax-AK § 535 BGB Rn. 61; BGH, Beschluss v. 8.10.2013, VIII ZR 254/13, GE 2013, 16; BGH, Beschluss v. 3.9.2013, VIII ZR 165/13, GE 2013, 1454; BGH, Beschluss v. 4.6.2013, VIII ZR 422/12, ZMR 2014, 108; BGH, Beschluss v. 9.4.2013, VIII ZR 245/12, GE 2013, 940; BGH, Urteil v. 12.10.2011, VIII ZR 251/10, GE 2012, 58; LG Berlin, Urteil v. 27.2.2020 ,67 S 192/19, GE 2020, 738; AG Münster, Urteil v. 4.7.2018, 7 C 129/18, WuM 2018, 651).
Entsprechend anwendbar ist die Vorschrift auf Kautionsverzugskündigungen von Wohnraummietverhältnissen (§ 569 Abs. 2a Satz 4) und auf Zahlungsverzugskündigungen von Mietverhältnissen über Räume für dringenden Wohnungsbedarf (§ 578 Abs. 3).
Mieterinsolvenz
Beim Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Wird vor dem Zugang der Kündigung über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet, so kann der Vermieter nur wegen solcher Rückstände kündigen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind (§ 112 InsO). Wird nach der Verfahrenseröffnung wegen der ab diesem Zeitpunkt entstehenden Rückstände gekündigt, so wird die Kündigung unwirksam, wenn der Mieter diejenigen Rückstände bezahlt, die nach der Verfahrenseröffnung fällig geworden sind.
Nach Wirksamwerden der Enthaftungserklärung nach § 109 I 2 InsO sind rückständige Mieten, mit deren Zahlung der Mieter bereits vor Insolvenzantragstellung in Verzug geraten war, bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer (auch) hierauf gestützten fristlosen Kündigung des Vermieters nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 17.6.2015, VIII ZR 19/14, GE 2015, 1089).
Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 wird die Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzugs unwirksam, wenn spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Rechts...