Rz. 85
Nach § 573 Abs. 3 sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Die Kündigung unterliegt damit einem Begründungserfordernis. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (BGH, Urteil v. 9.2.2011, VIII ZR 155/10, GE 2011, 478).
Rz. 86
Bei einer Kündigung wegen eines geplanten Abrisses und Neubaus ist das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 erfüllt, wenn dem Mieter mitgeteilt wird, aus welchen Gründen der Vermieter die vorhandene Bausubstanz nicht für erhaltenswert hält und welche baulichen Maßnahmen er stattdessen plant. Damit erhält der Mieter eine ausreichende Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung, ob er der Kündigung widersprechen oder sie hinnehmen will. Die der Kündigung zugrunde liegende Kalkulation braucht nicht bereits in der Kündigungserklärung in allen Einzelheiten mitgeteilt zu werden. Vielmehr ist eine nähere Darlegung der beabsichtigten wirtschaftlichen Verwertung erst im Prozess notwendig (LG Berlin, Urteil v. 19.6.2009, 63 S 10/08, GE 2009, 1497; LG Berlin, Urteil v. 29.7.2002, 61 S 451/00, GE 2003, 49; weitergehend: LG Berlin, Urteil v. 24.11.2006, 63 S 48/06, GE 2007, 659: bei beabsichtigtem Abriss wegen Schäden der Bausubstanz ist eine Gegenüberstellung der Reparaturkosten zu den Abriss- und Neubaukosten sowie zu den erwartenden Erträgen des Neubaus bereits in dem Kündigungsschreiben erforderlich).
Es bedarf zur Begründung keiner Vorlage von Wirtschaftlichkeitsberechnungen, etwa zu einer "Sanierungsalternative". Etwaige Fehler einer solchen vom Vermieter gleichwohl vorgelegten Berechnung oder die Bezugnahme des Vermieters auf eine nicht mehr aktuelle Berechnung führen nicht dazu, dass die Kündigung aus formellen Gründen unwirksam ist. Die Frage, ob der vom Vermieter für den Fall des Fortbestehens des Mietverhältnisses geltend gemachte erhebliche Nachteil angesichts einer wirtschaftlich vertretbaren Sanierungsmöglichkeit tatsächlich besteht, betrifft die materielle Berechtigung der Kündigung und ist, soweit es im Einzelfall darauf ankommt, im Prozess durch Beweisaufnahme zu klären (BGH, Urteil v. 9.2.2011, VIII ZR 155/10, a. a. O.).
Rz. 87
Für die Wirksamkeit der Kündigung ist es grundsätzlich auch nicht erforderlich, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die baurechtliche Genehmigung zur Errichtung des Neubaus vorliegt oder dem Kündigungsschreiben beigefügt wird (BayObLG, Beschluss v. 31.8.1993, RE-Miet 2/93, GE 1993, 1148; LG Bonn, Urteil v. 17.10.2013, 6 S 33/13, ZMR 2014, 283; AG München, Urteil v. 12.1.2018, 433 C 20391/17, ZMR 2018, 74; AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 23.12.2014, 920 C 171/14, ZMR 2015, 385; AG München, Urteil v. 8.11.2013, 463 C 9569/13, ZMR 2014, 805). Eine Kündigung ist jedoch unwirksam, wenn die geplante Maßnahme baurechtlich nicht genehmigungsfähig ist (LG Berlin, Urteil v. 8.5.2018, 63 S 139/17, juris).
Eine etwa erforderliche Abrissgenehmigung muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorliegen (OLG Hamburg, RE v. 25.3.1981, 4 U 201/80, NJW 1981, 2308; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.6.1992, 20 REMiet 7/91, NJW 1992, 2300; LG Berlin, Urteil v. 1.2.1991, 64 S 257/90, ZMR 1991, 346; AG München, Endurteil v. 15.5.2020, 473 C 4290/19; AG München, Urteil v. 18.11.2013, 463 C 9569/1, ZMR 2014, 805; AG Stuttgart, Urteil v. 18.6.2021, 35 C 303/21; AG Stuttgart, Urteil v. 19.2.2021, 35 C 3587/20, ZMR 2021, 674; a. A. LG Bonn, Urteil v. 17.10.2013, 6 S 33/13, ZMR 2014, 283). Auf eine Abrissgenehmigung, die davon abhängig gemacht worden ist, dass der Wohnraum rechtlich und tatsächlich frei ist, kann sich der Vermieter nicht berufen, wenn die Räumungsklage gegen einen noch im Haus wohnenden Mitmieter rechtskräftig abgewiesen worden ist (LG Berlin, Urteil v. 1.2.1991,64 S 257/ 90, a. a. O.).
Rz. 88
Zweckentfremdungsrechtliche Genehmigung
Ob dem Kündigungsschreiben das Vorliegen einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung vorausgeht und in der Kündigung Erwähnung finden muss, ist in der Rechtsprechung bislang umstritten (dagegen: LG Mannheim, Urteil v. 16.1.2004, 4 S 100/03, WuM 2004, 99; dafür: OLG Hamburg, Rechtsentscheid v. 25.3.1981, 4 U 201/80, WuM 1981, 155; LG Berlin, Urteil v. 1.2.1991, 64 S 257/90, ZMR 1991, 346; LG Düsseldorf, Urteil v. 26.1.1993, 24 S 430/92, DWW 1993, 103; AG Köln, Urteil v. 27.2.2018, 201 C 202/17, ZMR 2018, 510; AG Berlin-Schöneberg, Urteil v. 7. 12.2016, 4 C 216/16, juris; AG München, Urteil v. 18.11.2013, 463 C 9569/13, a. a. O.).